Jeder wünscht sich einen zügigen und reibungslosen Bauverlauf, doch gerade am Bau kommt es häufig zu Streitigkeiten. BauMaster fragt deshalb bei Baurechtsexperte Rechtsanwalt Dr. Dominik Öllerer nach. Der folgende Text gibt den Inhalt des Webinars “Nie mehr Streit am Bau – Gerichtsverhandlung adé” in textlicher Form wieder, da bei der Aufzeichnung etwas schief gelaufen ist. Wir möchten Ihnen dennoch die vielen wertvollen juristischen Tipps zugänglich machen!

Über den Referent:
Rechtsanwalt Dr. Öllerer, Partner von Ferner, Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH
Vortragender am Wifi für Bauträgerrecht und Recht im Gastgewerbe, sowie vielfältige Vortragstätigkeiten für Sozialvereine.
Fachgebiete: Immobilien- und Wohnrecht, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht (www.lawconsult.at)
- Wie lassen sich Gerichtsprozesse am Bau vermeiden?
- Was ist bei der Vertragsgestaltung zu beachten?
- Ist die Anwendung der ÖNORM B 2110 sinnvoll im Bauvertrag?
- Gerade kommt es zu massiven Preissteigerungen im Baugewerbe. Welche Risiken bergen Pauschalpreise?
- Wie wichtig ist die digitale Dokumentation?
- Wie wichtig ist es, die Anwesenden vor Ort im Protokoll zu vermerken?
- "Die Besprechungspunkte gelten als anerkannt, wenn innerhalb von x Tagen kein Einwand erfolgt". Inwieweit ist solch eine Formulierung rechtskonform?
- Inwieweit gilt die digitale Signatur in Besprechungs- oder Abnahmeprotokoll als Beweissicherung?
- Fragen der Webinar-Teilnehmer
Die Fragen wurden für BauMaster gestellt von Johann Gurtner.
Wie lassen sich Gerichtsprozesse am Bau vermeiden?
RA Dr. Öllerer: Es sind nicht nur rechtliche Aspekte, die helfen, Prozesse zu vermeiden, sondern das spielt sich auf vielfältigen Ebenen ab. Zum Beispiel im Bereich des zwischenmenschlichen, ökonomischen aber v.a. des zeitlichen Faktors. Wenn man sich genug Zeit nimmt, um sich im Vorfeld mit einem Projekt zu beschäftigen und die Auftragsunterlagen gut zu prüfen dann merkt man, dass hier die häufigsten Fehlerquellen zu Hause sind.
Am besten ist es, wenn man sich wirklich ausreichend Zeit nimmt genau zu prüfen, ob das Angefragte wirklich im preislichen und zeitlichen Rahmen überhaupt umsetzbar ist. Das bildet schon einmal eine gute wirtschaftliche Basis für ein Projekt. Einen Auftrag um jeden Preis anzunehmen, kann seine Tücken haben.

Was ist bei der Vertragsgestaltung zu beachten?
RA Dr. Öllerer: Wenn es zum Streiten kommt, packen alle den Vertrag aus und dann wird über die Vertragsgrundlagen diskutiert. Deshalb hat er natürlich große Bedeutung und es sollte bei der Gestaltung einiges beachtet werden.
Hinweis BauMaster:
Im Baugewerbe gibt es verschiedene Rechtsgrundlagen, die zur Anwendung kommen können, wie z.B. das BGB oder die VOB in Deutschland oder das ABGB oder die ÖNROM in Österreich. Näheres zum Thema Bauvertrag erfahren Sie in unserem Ratgeber „Bauvertrag: Nach BGB oder VOB?“. Dort finden Sie auch Mustervorlagen für einen Bauvertrag zum Download.
Es gibt eine Reihung bei den Vertragsgrundlagen, die auch in Vertragsmustern schon vorgegeben ist. Es gibt auch in der ÖNORM B 2110 Teile, die die Bestimmungen des BGB einschränken und genauer definiert. Sie findet sich häufig in der Anwendung. Allerdings sollten sich Baumeister und Architekten vorab genau überlegen, ob es sinnvoll ist, die ÖNORM B 2110 anzuwenden und im Bauvertrag aufzunehmen.
Das ist genau in Bezug auf den jeweiligen Auftrag zu prüfen, z.B. für wen agiert man (privater, öffentlicher oder gewerblicher Auftraggeber)? Denn manchmal macht es Sinn, spezielle Bedingungen zu schaffen, weil diese für den jeweiligen Auftrag notwendig sind und Anpassungen vorzunehmen.

Im Folgenden werden die verschiedenen Auftragsgrundlagen und deren sinnvolle Reihung im Vertrag aufgelistet:
1. Beschreibung der Hauptauftragsgrundlage, Auftragsschreiben
2. Bestimmungen werden genannt, z.B. ÖNORM B 2110
3. Technische Bestimmungen kommen hinzu, z.B. die techn. ÖNORMEN
4. Leistungsbeschreibungen samt Vorbemerkungen
5. Vergabeprotokolle
6. Baubeschreibung, Pläne, Gutachten, Bodenbefundungen
7. Baurechtliche Bewilligung der einschlägigen Behörden
Die Frage ist dann oft, welche Bestimmung gilt denn jetzt?
Die Reihungen werden nur dann griffig, wenn es zur Vertragsauslegung kommt, nämlich dann, wenn Widersprüche innerhalb der Vertragsgrundlagen vorhanden sind (z.B. im Vergabeprotokoll oder Auftragsschreiben fließen Werkvertragsbedingungen ein, die im Widerspruch zur ÖNORM B2110 stehen). Dann muss geprüft werden, welche Regelung gilt, hier kann die Reihung eine Rolle spielen.
Hinweis für alle, die an Ausschreibungen teilnehmen oder solche gestalten:
Überlegen Sie sich gut, was soll Vertragsbestandteil werden und welches Gewicht gebe ich dieser Grundlage, sprich welche Reihung nehme ich vor?
Ist die Anwendung der ÖNORM B 2110 sinnvoll im Bauvertrag?
RA Dr. Öllerer: Oft wird die ÖNORM B 2110 zur Gänze vereinbart, da können jedoch Bedingungen enthalten sind, die nicht für jeden Auftrag passend sind. V.a. gibt es Unterschiede, ob der Vertrag mit einem Häuslebauer abgeschlossen wird (dann gilt grundsätzlich auch das Konsumentenschutzgesetz) oder ob sich zwei Unternehmer gegenüberstehen. Das beeinflusst die Vertragsgestaltung. Die ÖNORM B2110 ist sicher werkunternehmerfreundlicher als ABGB.
Gerade kommt es zu massiven Preissteigerungen im Baugewerbe. Welche Risiken bergen Pauschalpreise?
RA Dr. Öllerer: Mein Grundsatz lautet: “Gute Freunde, gute Rechnung”. Zum Streiten wird es, wenn sich zwei Parteien nicht einig sind über die Kosten oder was am Ende des Tages zu bezahlen ist.
Auch bei den Mängeln geht es am Ende des Tages ums Geld (was kostet es mich als GU oder Handwerker, die Mängel zu beheben oder wie kann ich mich von Mängeln freikaufen?). Das ist der Kern der meisten Baustreitigkeiten.
Was tun wir mit den derzeitigen Gegebenheiten aufgrund der aktuellen weltpolitischen Lage?
Es ist wieder zu prüfen, was vorab vereinbart wurde. Es ist möglich, einen Einheitspreis mit fixen Massen und Maßen zu vereinbaren, oder natürlich auch ein Planmaß oder Naturmaß. Als Auftragnehmer stehe ich für die Richtigkeit des Einheitspreises an sich.
Schwieriger wird es beim Pauschal- oder Fixpreis, denn hier muss geprüft werden, was diesem Preis zugrunde liegt. Hier muss man sich genau anschauen, wer das Leistungsverzeichnis festgelegt hat und wie: Handelt es sich um eine funktionale Leistungsbeschreibung mit einer bestimmten Art an Funktionen als Ziel? Dem gegenüber steht ein konstruktives Leistungsverzeichnis, in dem bereits Mengenangaben vom Auftraggeber vorgegeben wurden, die er haben möchte.
Dann gibt es auch Leistungsbeschreibungen, wo ein klarer Preis vom Auftraggeber oder Bauherrn vorgegeben wurde.

Funktionale Leistungsbeschreibung
In diesem Fall gibt es wenig Vorgaben, da muss der Auftragnehmer überlegen, was ist vorgegeben, wie schafft man das? Der Auftraggeber will auf Risiko des Auftragnehmers ein funktionierendes Gebäude haben. Hier liegt das Risiko aufseiten des Auftragnehmers.
Die Frage der höheren Gewalt spielt hier eine große Rolle, wie es durch die COVID-Krise und jetzt aktuell durch die Situation in der Ukraine weltweit auftaucht. Es kommt sehr stark darauf an, was genau vereinbart wurde. Wenn ein Festpreis vereinbart wurde, dann vertreten wir überwiegend die Meinung, dass dieser Festpreis im unternehmerischen Risiko zugesagt wurde und einzuhalten ist, gerade beim Generalunternehmer (GU).

Konstruktives Leistungsverzeichnis
Anders ist es dort, wo das Leistungsverzeichnis mit den jeweiligen Preisen vom Auftraggeber gekommen ist und man auch Preisanpassungsklauseln trotz Pauschalpreis untergebracht hat. Es hängt auch davon ab, wie genau man die Mengenangaben und Preise vorab geprüft hat (Stichwort: Prüf- und Warnpflicht!). Auch wenn Pauschalpreise vereinbart wurden kann es noch zu Preisänderungen kommen.
Auch Zusatzwünsche oder Änderungswünsche sind gesondert zu betrachten. Beim konstruktiven Leistungsverzeichnis greift man auf die jeweiligen Preise zurück. Wenn man aber eine Festpreisgarantie als GU oder Einzelunternehmer abgegeben hat, dann stehen hier große Risiken auf Seiten des GU.
Es kommt also vielfach auf den konkreten Vertrag an, ob das ABGB mit Werkvertrag gilt oder die ÖNORM B2110, welche sicher werkunternehmerfreundlicher ist als das ABGB.

Wie wichtig ist die digitale Dokumentation?
RA Dr. Öllerer: Der Dokumentation am Bau kommt enorme Wichtigkeit zu. Das ist deshalb so, da sie Beweise schafft. Im Falle von Diskussionen zwischen Vertragsparteien hilft da alleine schon ein erstelltes Bauprotokoll, mit dem dann Festlegungen belegt werden können. Bei der digitalen Echtzeitdokumentation ist der große Vorteil, dass die Information sofort verteilt wird an die Projektbeteiligten. Baudokumentation grundsätzlich schafft Sicherheit im Hinblick auf die Beweislage.

Man muss auch schauen, was vereinbart wurde. Es ist immer so, dass es schnell gehen muss im Baugewerbe. Auch Änderungen gibt es sehr häufig am Bau, wenn die mündlich gemacht werden, kann sich niemand mehr daran erinnern. Die Schriftlichkeit sollte man nicht unterschätzen (wird auch in vielen Werkverträgen festgelegt).
Auch der zeitliche Hintergrund ändert sich: Früher haben sich zwei was ausgemacht, Polier und Architekt, dann wurde es so gemacht. Mittlerweile wird fast schon alles bis ins kleineste Details dokumentiert, was zu überbordender Informationsflut führt. Dann wird es schwierig, das Essenzielle herauszufinden. Das ist ein Prozess, der auch in der Bauwirtschaft noch am Laufen ist.
Zitat Dr. Öllerer: „Für einen Anwalt ist es immer für enorm wichtig, wenn die Dokumentation gut geführt ist und ich bin der Meinung, dass digitale Echtzeitdokumentation einen wichtigen Dienst leisten kann.“

BauMaster als Plattform für digital vernetztes Bauen:
- DSGVO-konform und größtmögliche Datensicherheit
- Jeder ist sofort up-to-date und weiß, was er bis wann zu machen hat
- für jeden Dokumentationsbedarf am Bau, wie Baubesprechung, Bauabnahme, Mängelbegehung, Bautagebuch usw.
Wie wichtig ist es, die Anwesenden vor Ort im Protokoll zu vermerken?
RA Dr. Öllerer: Das finde ich sehr wichtig, da es bei Großbaustellen mit vielen Beteiligten schnell unübersichtlich werden kann. Außerdem werden in den Baubesprechungen die Aufgaben verteilt und niemand kann sich dann herausreden, “davon weiß ich nichts”. Eine Anwesenheits- und Verteilerliste, so wie es z.B. in den BauMaster-Protokollen gegeben ist, ist aus juristischer Sicht sehr sinnvoll und hilfreich.
“Die Besprechungspunkte gelten als anerkannt, wenn innerhalb von x Tagen kein Einwand erfolgt”. Inwieweit ist solch eine Formulierung rechtskonform?
Gelten diese Punkte überhaupt neben den sonstigen Vereinbarungen im Bauvertrag?
RA Dr. Öllerer: Im Unternehmensbereich ist es durchaus üblich in der Baubranche, dass Protokolle mit einer gewissen Einspruchsfrist verschickt werden und fehlende Widersprüche dann als Zustimmung bzw. Willenserklärung gedeutet werden können. Juristisch genauer ausgedrückt handelt es sich um eine Wissenserklärung, also um eine Tatsachen schaffende Funktion. Der Vorteil ist, derjenige, der sich dieses Protokolls bedient und die Frist setzt und der Empfänger, der keine Einwendungen macht, hat den Nachteil, da er dann einen Gegenbeweis liefern muss. Derjenige, der sich dieser Protokolle bedient, schafft diese Tatsachengrundlage für sich, was für ihn ein großer Vorteil ist und den anderen in Zugzwang bringt. Eine Einwandzeit von 14 Tagen entspricht der ÖNORM B 2110.

Inwieweit gilt die digitale Signatur in Besprechungs- oder Abnahmeprotokoll als Beweissicherung?
RA Dr. Öllerer: Wenn die digitale Unterschrift zuvor zwischen den Parteien vereinbart wurde und eine Mustersignatur hinterlegt wird, ist die Zulässigkeit gegeben. Vorsichtiger muss man sein gegenüber Konsumenten, also wenn z.B. mit privaten Bauherren, wenn von diesen ein Protokoll unterschrieben werden soll.

Fragen der Webinar-Teilnehmer
Wie können wir bei Baufirmen fehlende oder unzureichende Positionen im Leistungsverzeichnis als Nachtrag aktivieren?
RA Dr. Öllerer: Wenn man als Fachfirma schon in der Ausschreibung “sinnfreie” Positionen erkennt, die nicht als Standardleistungen nach dem Leistungsverzeichnis zu erkennen sind, dann wäre es wichtig, hier zuerst nachzufragen, wie Positionen genau gemeint sind (also der eigenen Prüf- und Warnpflicht nachzukommen). Es hängt auch ab, ob es eher ein funktionales oder konstruktives Leistungsverzeichnis ist.
Wer zuerst den Auftrag will und dann per Nachtrag das Geld verdienen, begibt sich eventuell in juristische Grauzonen. Denn hier kann ausführenden Unternehmen der Vorwurf gemacht werden, dass eventuelle Preiserhöhungen schon vorher zu erkennen gewesen wären. Das kann juristisch ein Problem werden, wenn eventuelle Offensichtlichkeiten vorher erkennbar gewesen wären.
Diese Praxis ist Juristen zwar wohlbekannt, aber eben auch risikobehaftet. Eventuell kann etwas über Zusatzleistungen oder Änderungen aus der Auftragsgebersphäre “verpackt” werden, doch das ist eine Gratwanderung.
Baufirma verkauft in Farbe grün, Kunde will bei Baubesprechung rot, nach zwei Wochen will der doch wieder grün, wie ist die Rechtslage?

RA Dr. Öllerer: Das hängt natürlich auch vom Kunden ab, wie wichtig einem der Kunde ist. Entweder streicht man es nochmal um, wenn einem der Kunde wichtig ist, oder man besteht auf das, was im Protokoll vereinbart wurde.
Auch Zeugenaussagen können hier ausschlaggebend sein, wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kommt (z.B. ob der Kunde die rote Farbe bei einer Baubegehung gesehen hat).
Aber eine erneute Farbänderung ist nicht zwingend wieder durchzuführen, v.a. da die Änderung im Protokoll auch so festgehalten wurde. Es hat im Zweifelsfall hier derjenigen die stärkeren Argumente, der bereits Tatsachen geschaffen hat, also in diesem Fall eine rot gestrichene Wand, die nicht so einfach wieder um zu streichen ist.
Anmerkung Zuhörer: “Passus mit Einspruchsfrist herausgenommen aus dem Protokoll”. Der erste, der auf dem Protokoll unterschreibt, ist der Auftraggeber und nicht jemand, der als Vertreter vom Auftraggeber anwesend ist aber keine Entscheidungsbefugnis hat.
Wichtiger Hinweis:
Ein fachkundiger und berechtigter Vertreter des Bauherren sollte als Vertreter benannt werden des Bauherren. Wenn dieser nicht dazu befugt ist, Entscheidungen zu treffen, kann das zu Problemen führen. Es wäre gut von Anfang an darauf zu achten, dass dieser Vertreter wirklich Entscheidungsberechtigt ist (nicht nur jemand, über den die Kommunikation läuft). Ansonsten könnten Entscheidungen ganz einfach widerrufen werden mit dem Verweis, dass der Vertreter keine Befugnis hatte (wären dann formelle Argumente). Bestehen Sie als Projektleiter auf einem Bauherrenvertreter mit Entscheidungsbefugnis!

Abschließende Worte RA Dr. Öllerer:
Nehmen Sie sich in einer Zeit, die von unglaublicher Dynamik und Zeitdruck geprägt ist, die Momente, um durchzuatmen und innezuhalten und sich die Dinge trotz des Zeitdrucks so zu überlegen, dass Sie ruhig schlafen können – was Ihre Entscheidungen betrifft. Bedienen Sie sich passender Hilfsmittel wie der Software von BauMaster, die beeindruckend zeigt, wie simpel und einfach die Dinge bewerkstelligt werden können.