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ÖNORM B 2110 Online-Leitfaden

ÖNORMEN haben im österreichischen Bauwesen einen hohen Stellenwert. Eine der bekanntesten davon ist die ÖNORM B 2110, die Grundlage für nahezu jeden Bauvertrag. Sie regelt eine Reihe von Vertragsbestimmungen, die teils gravierend vom ABGB abweichen.

Grundkenntnisse dieser Bestimmungen sind also für alle Baubeteiligten ein Vorteil. Alle wichtigen Eckdaten und mögliche Stolperfallen können Sie in diesem Ratgeber zur ÖNORM B 2110 online nachlesen.

Was ist die ÖNORM B 2110?

Die ÖNORM B 2110 („Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen – Werkvertragsnorm“) ist kein Gesetz, sondern eine Vertragsschablone für Bauverträge. Dabei kommt ihr derselbe Rechtsstatus wie allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu. Sie gilt nur, wenn alle Vertragsparteien einverstanden sind und die ÖNORM im Bauvertrag ausdrücklich als Grundlage vereinbaren.

Der Inhalt dieser Werkvertragsnorm baut auf dem Allgemein Bürgerlichen Gesetzbuch, kurz ABGB, auf. Dieses gilt weiterhin für alle Bereiche, die nicht durch Bestimmungen aus der ÖNORM vertieft werden. Aktuell gültig ist für die ÖNORM B 2110 die letzte Fassung vom 15.3.2013.

Anwendungsbereich: Wann gilt die ÖNORM B 2110?

Wie bereits erwähnt ist der Einsatz der ÖNORM B 2110 freiwillig – sie gilt grundsätzlich nur, wenn alle Parteien zustimmen. Angewandt wird sie auf die Vertragsbestimmungen in zwei Bereichen:

  • Bauleistungen: Herstellung, Änderung, Instandsetzung, Demontage oder Abbruch von Bauwerken und Bauteilen, sowie alle sonstigen Bauarbeiten im Rahmen eines Werkvertrages, etwa Vorbereitungs- und Hilfsarbeiten.
  • Leistungen der Haustechnik: Herstellung, Änderung, Reparatur und Demontage haustechnischer Anlagen oder Teilen dieser Anlagen.
oenorm B 2110 Übersicht
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Übersicht ÖNORMEN

ÖNORM B 2110 letzte Fassung (15.3.2013) – Bestandteile im Überblick

Die aktuelle Fassung der ÖNORM B 2110 besteht aus 12 Abschnitten, die verschiedene Vertragsbestimmungen betreffen. Nachfolgend eine kurze Übersicht aller Bereiche, die darin festgehalten werden – die wichtigsten davon werden im Anschluss noch einmal genauer beleuchtet.

  1. Anwendungsbereich der ÖNORM
  2. normative Dokumente
  3. Begriffsdefinitionen eigene Definitionen & Begriffe aus ÖNORM 2050 oder BVergG
  4. Verfahrensbestimmungen bauspezifische Angaben, Ausschreibung und Erstellung von Angeboten
  5. Vertragsbestandteile ehemals letzter Punkt „Vertragsbestimmungen“ – seit Fassung 1.1.2009 geteilt in 5-12 enthält das Schriftformgebot
  6. Leistungsumfang und Baudurchführung Angaben zum Leistungsumfang für ausführende Unternehmen: Prüf- und Warnpflicht, Pflicht zur Zusammenarbeit für die Bauleitung: Verpflichtung zur Koordination auf der Baustelle, Recht auf Bauüberwachung, Dokumentationspflicht
  7. Leistungsabweichungen und deren Folgen Recht des Auftraggebers, gesamte Leistungen oder Teile davon entfallen zu lassen
  8. Rechnungslegung, Zahlung, Sicherstellungen Abweichende Rechnungs- und Zahlungsfristen
  9. Benutzung von Teilen der Leistung vor der Übernahme
  10. Übernahme Unterscheidung in förmliche und formlose Übernahme
  11. Schlussfeststellung
  12. Haftungsbestimmungen Gewährleistungsfristen und Schadenersatz

Der Inhalt im Detail: ÖNORM B 2110 online nachlesen

Einige Abschnitte der österreichischen Norm für Bauverträge sollten Sie genauer unter die Lupe nehmen, um möglichen Fallstricken aus dem Weg zu gehen. Auf diese wollen wir daher in unserem ÖNORM B 2110 Online-Ratgeber nun detaillierter eingehen.

Begriffsdefinitionen: ÖNORM B 2110, ÖNORM A 2050 und BVergG

Für die Begriffsdefinition in der ÖNORM B 2110 wird meist zusätzlich die ÖNORM A 2050 oder das Bundesvergabegesetz (BVergG) herangezogen. Die dortigen Begriffe gelten also auch hier. Auch die Angaben zur Ausschreibung und Erstellung von Angeboten stammen aus diesen beiden Regelwerken und werden in der ÖNORM B 2110 ergänzt.

  • Bundesvergabegesetz BVergG: Trifft zu, wenn es sich um einen öffentlichen oder einen Sektorenauftraggeber (z.B. Energie-/ Trinkwasserversorger) handelt.
  • ÖNORM A 2050 („Vergabe von Aufträgen über Leistungen – Ausschreibung, Angebot, Zuschlag – Verfahrensnorm“): Gilt dann, wenn das BVergG nicht zutrifft.

Festgelegt ist in der ÖNORM außerdem, dass ein Auftragnehmer die Vertragsunterlagen einsehen und alle enthaltenen Bestimmungen bestätigen muss. Zur Angebotserstellung muss darüber hinaus die Baustelle besichtigt werden können, damit besondere Gegebenheiten und Arbeitsbedingungen vor Ort in die Preisgestaltung einfließen können.

Weitere, automatisch zutreffende Normen

Gemeinsam mit der ÖNORM B 2110 werden auch alle sachlich in Betracht kommenden Werkvertragsnormen und technischen ÖNORMEN zum Vertragsinhalt. Zusätzliche Werkvertragsnormen kommen dann zum Zug, wenn mindestens eine Leistung aus dem betreffenden Sachgebiet Vertragsbestandteil ist. Bei technischen ÖNORMEN handelt es sich meist um allgemein anerkannte Regeln der Technik, die für ein Bauvorhaben ohnehin eingehalten werden müssen.

Wenn Sie ÖNORMEN in einen Vertrag mit aufnehmen, empfiehlt es sich generell, diese konkret zu benennen, statt eine allgemeine Vereinbarung in Richtung „Es gelten alle einschlägigen rechtlichen und technischen ÖNORMEN“ zu treffen. So gehen Sie sicher, dass nur wirklich gewünschte Regelungen mit aufgenommen werden.

Schriftformgebot

Eine wichtige Regelung in Abschnitt 5 der ÖNORM ist das Schriftformgebot: Im österreichischen Zivilrecht gilt grundsätzlich die Formfreiheit. Ein Bauvertrag benötigt eine übereinstimmende Willenserklärung in beliebiger Form (schriftlich oder mündlich), um zustande zu kommen. Änderungen am Vertrag können ebenso durch schlüssige Handlung, z. B. stillschweigende Annahme, erfolgen.

Die ÖNORM B 2110 hingegen fordert für wichtige Vereinbarungen und Änderungen zu Beweiszwecken eine schriftliche Form. Dazu zählen

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  • vertragliche Vereinbarungen, Vertragsänderungen und Vertragsrücktritt
  • Bedenken gegen Ausführungsunterlagen
  • Bestätigung/Einspruch zu erhaltenen Dokumenten, Eintragungen im Bautagebuch oder in Bautagesberichten
  • Ergebnisse von Begehungen, Prüfungen und Probebetrieb
  • Nachfristsetzung bei Verzug
  • Leistungserbringung über den Vertrag hinaus
  • einseitige Aufmaßfeststellung
  • Schlussrechnungsvorbehalt
  • Bekanntgabe einer Abweichung der Zahlung vom Rechnungsbetrag
  • Fertigstellungsmeldung
  • Verweigerung der Übernahme und Aufforderung zu erneuter Übernahme
  • Anzeige von Baumängeln

Dokumentationspflicht

Neben der schriftlichen Festhaltung von Änderungen am Vertrag besteht laut ÖNORM B 2110 außerdem eine Dokumentationspflicht:

„Vorkommnisse am Erfüllungsort, welche die Ausführung der Leistung wesentlich beeinflussen können, sowie Feststellungen, die zu einem späteren Zeitpunkt nicht oder nicht mehr zielführend vorgenommen werden können, sind schriftlich festzuhalten.“

Meist werden diese Vorkommnisse in einem Bautagebuch (Bauleitung und Architekten) oder in Form von Bautagesberichten (Baufirmen) festgehalten. Darin stehen üblicherweise die folgenden Informationen:

  • äußere Einflüsse: Wetter, Temperatur, Niederschlag
  • Zahl der Arbeitskräfte, Einsatzbereich, genutzte Geräte
  • Art und Umfang der ausgeführten Bauleistungen
  • Planbesprechungen und -änderungen
  • Mess- und Prüfergebnisse
  • besondere Vorkommnisse
  • Fotodokumentation der Baustelle
ÖNORM B2110 Dokumentation
Digitale Dokumentation zur Nachweissicherung

Darüber hinaus schreibt die ÖNORM vor, dass alle nur von einer Partei getätigten Aufzeichnungen den Vertragspartnern umgehend mitgeteilt werden müssen. Wenn ein Vertragspartner nicht innerhalb von 14 Tagen schriftlich Einspruch erhebt, gelten diese als bestätigt. Sollten Sie solche Aufzeichnungen erhalten, ist es also ratsam, diese so bald wie möglich zu prüfen.

Prüf- und Warnpflicht für Auftragnehmer

Als Auftragnehmer sollten Sie beachten, dass Sie einerseits zur konstruktiven Zusammenarbeit verpflichtet sind, und andererseits eine Prüf- und Warnpflicht besteht. Sie müssen also alle Ausführungsunterlagen, Anweisungen, Materialien und Vorleistungen, die Sie erhalten, auf Fehler oder Mängel überprüfen.

Treffen Sie dabei auf Mängel oder haben Bedenken, dass es zu Schäden kommen könnte, müssen Sie den Auftraggeber schriftlich darauf hinweisen. Danach gibt es 2 Möglichkeiten:

  • Der Auftraggeber prüft die Bedenken und sorgt für Nachbesserung, sodass die Leistung mängelfrei durchgeführt werden kann – Schäden wurden ausgeschlossen und es gelten keine gesonderten Haftungsbedingungen.
  • Der Auftraggeber ignoriert die Bedenken und fordert die unveränderte Ausführung – sollte es zu einem Schaden kommen, sind Sie von Haftung und Gewährleistung befreit, da Sie Ihrer Prüf- und Warnpflicht nachgekommen sind.
ÖNorm B 2110
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Hätten Sie Ihre Bedenken hingegen nicht geäußert, würde die Haftung für Schäden bei Ihnen liegen. Eine Ausnahme sind Mängel, die mit der zumutbaren Fachkenntnis eines Handwerksbetriebes nicht erkennbar sind. Als zumutbare Fachkenntnis gelten…

  • …branchenübliches Fachwissen,
  • …allgemein anerkannte Regeln der Technik
  • und weitere technische ÖNORMEN.

Übernahme laut ÖNORM B 2110

Laut ÖNORM B 2110 beschreibt eine Übernahme die Anerkennung und Akzeptanz vertraglich vereinbarter Leistungen. Ist die Übernahme erfolgt, beginnt die Gewährleistungsfrist. Zwei Arten der Übernahme werden dabei unterschieden:

  • Eine förmliche Übernahme muss im Vertrag festgeschrieben sein. Dabei teilt das Bauunternehmen der Bauleitung die Fertigstellung mit und fordert zur Übernahme auf. Innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt muss dann die Begehung erfolgen, ansonsten gilt die Abnahme als stillschweigend akzeptiert. Für die Dokumentation der förmlichen Abnahme ist ein Bauabnahmeprotokoll hilfreich.
  • Eine formlose Übernahme erfolgt immer dann, wenn vertraglich keine förmliche Übernahme vereinbart ist. Es ist nur eine – bestenfalls schriftliche – Bestätigung der Bauleitung erforderlich, dass die Leistung übernommen wurde.

Gewährleistung nach ÖNORM B 2110

Ausführende Betriebe müssen ihre Leistung laut ÖNORM mängelfrei übergeben: Als mängelfrei gilt sie, wenn sie die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit hat und den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Sollte vertraglich nichts vereinbart sein, muss das Bauwerk für seine gewöhnliche Verwendung geeignet sein und der üblichen Beschaffenheit solcher Bauwerke entsprechen. Die Gewährleistungsfrist beginnt mit der Übernahme der Leistungen.

Die ÖNORM schreibt dabei folgende Fristen vor:

  • 3 Jahre für Bauwerke und unbewegliche Teile der Haustechnik
  • 2 Jahre für bewegliche Teile der Haustechnik

Die Beweislastumkehr im Mangelfall tritt nach 6 Monaten ein. Zuvor liegt es am Auftragnehmer, Mangelfreiheit nachzuweisen – nach dieser Zeit muss der Auftraggeber beweisen, dass der Mangel vom ausführenden Betrieb verursacht wurde. Im Mangelfall hat die Bauleitung ein Recht auf Nachbesserung oder Austausch. Verweigert das ausführende Unternehmen oder ist eine Nachbesserung nicht möglich, kann Schadenersatz gefordert werden.

Sonderregelung für Schadenersatz

Grundsätzlich bezieht sich die ÖNORM B 2110 auf das allgemeine Schadenersatzrecht. Bei leichter Fahrlässigkeit ist die maximale Summe für den Schadenersatz jedoch begrenzt, egal ob der Schaden durch den Auftraggeber oder -nehmer verursacht wurde:

  • 12.500 € bei einer Auftragssumme unter 250.000 €
  • 5 % der Auftragssumme, wenn diese mehr als 250.000 € beträgt (maximal jedoch 750.000 €)

Zahlungs- und Prüffrist der Schlussrechnung laut ÖNORM B 2110

Die ÖNORM schreibt vor, dass Abschlags- oder Regierechnungen innerhalb von 30 Tagen nach Eingang zur Zahlung fällig sind, wenn im Bauvertrag nichts anderes geregelt ist. Für die Zahlung der Schlussrechnung hingegen bleiben 90 Tage Zeit. Im Gegensatz zum ABGB ist das recht lange, dort wäre der Schlussrechnungsbetrag sofort fällig.

Die Prüffrist der Schlussrechnung laut ÖNORM B 2110 beträgt 30 Tage. Sollten dabei Mängel auftreten, die eine ordnungsgemäße Prüfung verhindern, kann sie zur Verbesserung zurückgestellt werden. In diesem Fall beginnt die Frist noch einmal von vorne.

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ÖNORM B 2110 Zahlungsfristen

Vorsicht ist geboten, wenn noch Forderungen ausstehen: Laut ÖNORM sind nachträgliche Forderungen nach Annahme der Schlussrechnung nicht mehr möglich – es sei denn, die Schlussrechnung enthält einen Vorbehalt bzw. dieser wird innerhalb von 3 Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben. Ein mündlicher Vorbehalt reicht nicht aus, um nachträgliche Forderungen zu stellen.

Für Auftragnehmer empfiehlt sich daher, sämtliche Kosten, die durch Verzögerungen, Mängel etc. entstanden sind, als Schlussrechnungsvorbehalt in die Schlussrechnung mitaufzunehmen. Sollte die Schlusszahlung vonseiten der Bauleitung vom Rechnungsbetrag abweichen, muss diese den Differenzbetrag erst begründen, bevor die dreimonatige Frist für den Vorbehalt zu laufen beginnt.

Zurückbehaltungsrecht bei Mängeln

Laut ABGB besteht bei Baumängeln ein Zurückbehaltungsrecht: Sie dürfen als Bauleiter also den Werklohn zurückhalten, bis alle Mängel vom zuständigen Unternehmen beseitigt wurden. Die Höhe der zurückgehaltenen Summe ist nur durch das Schikaneverbot begrenzt – das Ausmaß des Mangels und die Höhe des offenen Werklohns müssen also in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen.

Vor Gericht kann dies jedoch unterschiedlich ausgelegt werden, was gerade für kleine Handwerksbetriebe schnell die Liquidität beeinträchtigen kann. Deswegen besteht in der ÖNORM B 2110 eine andere Regelung: Bei Mängeln, die den Gebrauch des betreffenden Gewerkes nicht wesentlich beeinträchtigen, darf der Auftraggeber maximal das Dreifache der voraussichtlichen Mängelbehebungskosten zurückhalten.

Auf der sicheren Seite – mit dem ÖNORM B 2110 Online-Ratgeber von BauMaster

Wenn die ÖNORM B 2110 einem Bauvertrag zugrunde gelegt wird, wirkt sich dies also auf verschiedenste Bestimmungen aus. Ob Dokumentation, Gewährleistung oder Rechnungsfristen, mit unserem ÖNORM B 2110 Online-Leitfaden haben Sie die wichtigsten Regelungen im Blick und wissen, worauf es bei Bauverträgen nach der österreichischen Werkvertragsnorm ankommt.

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