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Beweissicherungsverfahren: gut abgesichert am Bau

Wenn ein Prozess droht oder schon im Gange ist, bereitet das vielen Bauherren großes Kopfzerbrechen. Nicht selten ziehen sich solche Streitigkeiten enorm in die Länge und verursachen hohe Kosten. Eine gute Beweissicherung hilft, sich vor ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen, den Prozess möglichst kurz zu halten und schnell zu einer Einigung zu gelangen.

Welche Beweissicherungsverfahren es gibt und was Sie bei der Durchführung beachten sollten, erfahren Sie hier.

Zudem stellen wir Ihnen ein Antrags-Muster für das Beweissicherungsverfahren kostenlos zum Download zur Verfügung.

Was ist ein Beweissicherungsverfahren?

Die Beweissicherung gibt allen Baubeteiligten die Möglichkeit, sich im Mangel- oder Schadensfall abzusichern, von kleineren Streitigkeiten bis zum umfassenden Gerichtsprozess. Im Zuge eines Beweissicherungsverfahrens wird der gegenwärtige Zustand einer Sache, Ursachen für Mängel und Schäden, mögliche Beseitigungskosten u. ä. von einem fachlich qualifizierten Sachverständigen dokumentiert.

Die einzelnen Verfahren zur Beweissicherung am Bau möchten wir Ihnen hier kurz zusammenfassen:

  1. Beweissicherung vor Baubeginn: Dokumentation des Ist-Zustands
  2. private Beweissicherung: Privatgutachten durch Sachverständigen
  3. selbstständiges Beweisverfahren: Antrag auf ein gerichtliches Gutachten

1. Beweissicherung vor Baubeginn

Die Beweissicherung vor Baubeginn ist nach §3 VOB/B verpflichtend. Die ÖNORM B 2110 schreibt ebenfalls vor, dass „Feststellungen, die zu einem späteren Zeitpunkt nicht oder nicht mehr zielführend vorgenommen werden können,“ schriftlich festzuhalten sind.

Mit einem solchen Beweissicherungsverfahren wird vorsorglich der Ist-Zustand von umliegenden Grundstücken und Gebäuden dokumentiert. So lässt sich zum Beispiel später nachweisen, dass ein Schaden am Nachbarzaun bereits vor Baubeginn vorhanden war – Sie also nicht dafür verantwortlich sind.

Dokumentieren sollten Sie beispielsweise:

  • Straßen und Zufahrten
  • technische Anlagen
  • Zäune
  • Bepflanzung
  • Fassaden
  • Innenräume von Gebäuden

Form und Umfang der schriftlichen Beweissicherung sind Ihnen prinzipiell selbst überlassen. Sie sollte jedoch wichtige Eckdaten des Projektes enthalten und ausführlich genug sein, um späteren Streitigkeiten vorzubeugen. Empfehlenswert ist dabei neben Text-Beschreibungen auch eine Fotodokumentation der Baustelle.

Beweissicherungsverfahren per Smartphone
Beweissicherung mit dem Smartphone

2. Private Beweissicherung

Während oder nach der Bautätigkeit treten nicht selten Baumängel zutage. Für Streitigkeiten, die daraus resultieren, reicht es oft schon, wenn Sie während der Bautätigkeit eine lückenlose Baudokumentation führen. Dies gilt für beide Seiten, Auftraggeber und Auftragnehmer. Eine gute Dokumentation erleichtert eine außergerichtliche Einigung, was beiden Parteien Zeit, Geld und Nerven spart.

Wenn die Vertrauensbasis bereits belastet ist, hilft es, ein Privatgutachten von einem neutralen Sachverständigen erstellen zu lassen. Dieses zielt immer noch auf eine außergerichtliche Einigung ab, um einen langwierigen Prozess zu meiden.

Sollte es trotzdem zu einem Gerichtsprozess kommen, können Sie das Privatgutachten zumindest als qualifizierten Parteivortrag nutzen. Allerdings hat es weniger Gewicht als ein gerichtlich beauftragtes Gutachten. Um rundum abgesichert zu sein, ist bei einem drohenden Rechtsstreit also ein selbstständiges Beweisverfahren ratsamer – dazu gleich mehr.

3. Gerichtliche Beweissicherung: selbstständiges Beweisverfahren

Ein selbstständiges Beweisverfahren kann von allen betroffenen Parteien beim zuständigen Gericht beantragt werden, schon bevor es überhaupt zum eigentlichen Gerichtsprozess kommt. Dabei beauftragt das Gericht einen vereidigten Sachverständigen, ein neutrales Gutachten als Beweismittel anzufertigen.

Die Zivilprozessordnung (Deutschland: §§ 485 – 494a ZPO / Österreich: §§ 384 – 389 ZPO) schreibt dabei folgende Regelungen vor: In einem Streitverfahren kann auf Antrag einer Partei eine Beweissicherung erfolgen, wenn…

  • … die gegnerische Partei zustimmt.
  • …davon auszugehen ist, dass ein Beweismittel verlorengeht oder nur noch erschwert genutzt werden kann (z. B. aufgrund von weiterführenden Bauarbeiten, die den Mangel verdecken).
  • …ein rechtliches Interesse daran besteht, den Zustand einer Sache, Mängelursachen oder Beseitigungskosten festzustellen (z. B., um einen Gerichtsprozess zu vermeiden).

Das Ziel des selbstständigen Beweisverfahrens ist – neben der Sicherung von Beweismitteln – das Gerichtsverfahren möglichst kurz und damit die Kosten niedrig zu halten. Wenn noch gar kein Verfahren anhängig ist, lässt sich damit eventuell sogar der Prozess vermeiden und stattdessen eine außergerichtliche Einigung erzielen.

Gerichtliche Beweissicherung
Gerichtliche Beweissicherung

Das selbstständige Beweissicherungsverfahren: Ablauf

Wenn Sie auf Nummer sicher gehen möchten, sollten Sie sich jedenfalls gerichtlich absichern. Da im Gegensatz zur privaten Beweissicherung das selbstständige Beweissicherungsverfahren einem bestimmten Ablauf und Regeln unterliegt, wollen wir hier noch einmal genauer darauf eingehen, was es dabei zu beachten gibt.

1. Antrag auf ein selbständiges Beweisverfahren beim zuständigen Gericht

Im ersten Schritt müssen Sie einen Antrag auf ein selbstständiges Beweisverfahren einreichen. Sofern rechtliches Interesse gegeben ist (Sie also mindestens die Absicht haben, einen Rechtsstreit zu vermeiden), ist es möglich, die Begutachtung durch einen Sachverständigen beim zuständigen Gericht anzufordern.

Zuständig ist immer jenes Gericht, das auch für den Hauptprozess verantwortlich ist (bzw. wäre, falls es noch nicht zu einem Rechtsstreit gekommen ist).

Folgender Inhalt muss unbedingt im Antrag auf Durchführung des Beweisverfahrens aufscheinen:

  • Bezeichnung der gegnerischen Partei
  • Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll – üblicherweise ein Baumangel oder Schadensfall
  • Zeugen oder andere zulässige Beweismittel
  • glaubhafte Begründung, warum ein selbstständiges Beweisverfahren zulässig ist


Um Ihnen die Antragstellung so einfach wie möglich zu machen, können Sie sich hier für das Beweissicherungsverfahren ein Muster downloaden, das allen Vorgaben der ZPO entspricht. Damit kommen Sie der erfolgreichen Beweissicherung schon einen großen Schritt näher.

2. Bestellung des Sachverständigen durch das Prozessgericht

Anschließend prüft das zuständige Gericht Ihren Antrag und bestellt daraufhin einen passenden Gutachter.  Dieser muss eine neutrale Partei sein und über die nötige Fachkompetenz verfügen, um die Begutachtung durchführen zu können. Im Regelfall handelt es sich dabei um einen öffentlich bestellten, vereidigten Sachverständigen.

Einfluss darauf, wer als Sachverständiger eingesetzt wird, haben Sie nur bedingt. Es ist zwar möglich, dass Sie jemanden vorschlagen – falls die Gegenpartei zustimmt, kann das Gericht diesen Vorschlag auch annehmen –, zwingend ist Ihre Auswahl aber keinesfalls.

Sollten Sie jedoch Bedenken haben, dass der gewählte Sachverständige voreingenommen sein könnte, dürfen Sie ihn ablehnen. Allerdings muss es einen guten Grund dafür geben. Ein Beispiel: wenn der Gutachter eindeutig unsachliche Äußerungen gegen Sie tätigt. Argumentiert dieser hingegen rein objektiv gegen Ihren Standpunkt, müssen Sie das selbstverständlich akzeptieren.

3. Beweissicherung vor Ort

Wurde der Gerichtsgutachter festgelegt, lädt dieser beide Parteien zu einem Termin vor Ort ein. In der Regel haben Sie von der Ladung bis zum Ortstermin etwa 14 Tage Zeit, um Ihre Unterlagen zu sichten und relevante Beweise zu sammeln.

Beweissicherungsverfahren
Beweissicherungsverfahren vereinfachen dank laufender Dokumentation

Das sollten Sie auch dringend tun, um Ihre Darstellung der Tatsachen bestmöglich zu unterstützen. Außerdem sparen Sie so zusätzliche Kosten, da die Zeit eines Gutachters Sie nicht gerade günstig kommt. Sind alle Parteien vor Ort, werden Beweismittel gesichtet und Sachverhaltsdarstellungen aufgenommen.

Beweissicherungsverfahren
Beweissicherung vor Ort schnell und gründlich mit BauMaster

4. Erstellung des Gutachtens durch den Sachverständigen

Die Erstellung des Gutachtens kann sich über einige Wochen bis Monate erstrecken, je nachdem, welche Ausmaße der konkrete Streitfall annimmt. Im Gutachten stehen meist folgende Informationen:

  • Zustand der betreffenden Sache/Beschreibung von Mängeln und Schäden
  • Ursachen für genannte Mängel und Schäden
  • mögliche Maßnahmen zur Beseitigung
  • Kosten, die durch die Beseitigung entstehen

Mithilfe dieser Informationen wird später bestimmt, welche Partei den Schaden/Mangel verursacht hat und für die Beseitigung aufkommen muss. Darüber hinaus ist auch gleich klar, wie hoch die Kosten sein werden, die dafür anfallen.

5. Ergänzendes Gutachten (falls notwendig)

Sollte eine der beiden Parteien mit dem Gutachten noch nicht zufrieden sein, weil etwa wichtige Fragen nicht behandelt worden sind, ist es möglich, ein ergänzendes Gutachten anzufordern. Dieses beeinflusst jedoch nicht das zuvor erstellte Hauptgutachten, sondern erweitert dieses um zusätzliche Sachverhalte.

6. Vorlage des Gutachtens beim zuständigen Gericht

Sind alle Beweise aufgenommen und das Gutachten samt eventueller Ergänzungen erstellt, wird es an alle Parteien übermittelt. Anschließend folgt in der Regel eine mündliche Anhörung vor Gericht. Der Sachverständige bringt dort seine Erkenntnisse vor, die dann umfassend geprüft werden, um eine Entscheidung zu treffen. Zu diesem Zeitpunkt bestehen zwei Möglichkeiten:

  • Das Gutachten wird für unzureichend erklärt, da entweder das Gutachten selbst Formfehler aufweist oder der Sachverständige abgelehnt wurde. In diesem Fall wird eine neuerliche Begutachtung notwendig.
  • Das Gutachten ist ausreichend und das Gericht teilt den beiden Parteien das Ergebnis mit. Auf Basis dieser Entscheidung folgen dann weitere Schritte: Im Bestfall eine außergerichtliche Einigung, oder aber eine Anklage, die zum eigentlichen Hauptprozess führt.
Beweissicherungsverfahren selbstände
Beweissicherungsverfahren 1 bis 3
Beweissicherungsverfahren 4-6

Wie lange dauert ein selbstständiges Beweisverfahren?

Grundsätzlich lässt sich der gesamte gerichtliche Ablauf mit einem selbstständigen Beweisverfahren stark beschleunigen. Das gilt jedoch nur, wenn ein entsprechend fachkundiger Sachverständiger das Gutachten erstellt und beide Parteien um eine kooperative Zusammenarbeit bemüht sind. In der Regel zieht sich das Beweissicherungsverfahren über mehrere Wochen bis Monate.

Kosten des Beweissicherungsverfahrens

Ein Gerichtsprozess ist fast immer mit hohen Kosten verbunden. Dementsprechend möchte man natürlich nicht darauf sitzenbleiben. Daher sind beim Beweissicherungsverfahren zwei zentrale Fragen zu klären: Was kostet ein Beweissicherungsverfahren und wer hat diese Kosten überhaupt zu tragen? Hier finden Sie die Antworten darauf.

Welche Kosten fallen an?

Die Kosten für das gerichtliche Gutachten sind nicht zu unterschätzen. Es lohnt sich jedoch, wenn Sie damit einen langwierigen Prozess und damit weitere Ausgaben vermeiden können. Das Gericht verlangt in der Regel einen Auslagenvorschuss für die Beweiserhebung, dazu kommen die Kosten des Gutachters. Diese sind vom Umfang der Leistung und von seinen Qualifikationen abhängig.

Sie setzen sich aus dem Stundenlohn, Fahrtkosten, Anfertigung des Gutachtens und eventuell weiteren Nebenkosten zusammen. Der Stundenlohn beginnt bei etwa 70 Euro, kann aber ebenso ein Vielfaches davon betragen. Die Anfertigung des Gutachtens wird meist nach Seite gerechnet – ein üblicher Seitenpreis sind ca. 40 Euro.

Wer trägt die Kosten für ein Beweissicherungsverfahren?

Wenn Sie eine private Beweissicherung beauftragen, sind Sie natürlich selbst für die Kosten verantwortlich. Im selbstständigen Beweisverfahren ist das anders. Wer die Kosten trägt, wird entweder im Laufe des Verfahrens oder im nachfolgenden Hauptprozess entschieden.

  • Wenn Sie nach Abschluss des Verfahrens auf eine Klage verzichten, fallen die Kosten auf Sie zurück, auch jene der gegnerischen Partei. Selbiges gilt, wenn Sie den Antrag auf das selbstständige Beweisverfahren zurücknehmen oder er abgelehnt wird.
  • Wird im Anschluss an das Beweissicherungsverfahren Klage erhoben, entscheidet das Gericht im Hauptprozess, wer die Kosten dafür zu tragen hat.
Kosten Beweissicherungsverfahren
Kosten für ein Beweissicherungsverfahren

Warum ist Beweissicherung am Bau so wichtig?

Auf einer Baustelle verändert sich der Gebäudezustand laufend. Weiterführende Bauarbeiten machen dabei schnell einmal Beweismittel zunichte. Wird ein Baumangel erst später reklamiert, ist es wichtig, nachweisen zu können, wann und wie bestimmte Mängel entstanden sind und wer dafür verantwortlich war.

Haben Sie die Bauleitung inne, sollten Sie daher Wert auf gutes Mängelmanagement legen. Wenn Sie richtig dokumentieren, zeitnah reagieren und noch dazu für eine lückenlose Bauüberwachung sorgen, sind rechtliche Schritte vielleicht gar nicht notwendig.

Als Auftragnehmer sollten Sie ebenso wenig auf die Dokumentation Ihrer Leistungen vergessen, beispielsweise in Bautagesberichten. Ein häufiger Grund für Streitigkeiten ist nämlich die vorzeitige Kündigung eines Werkvertrages. So haben Sie eine Bestätigung in der Hand, dass Ihre Leistungen bis zur Übergabe an das Folgeunternehmen mängelfrei durchgeführt wurden. Damit kann Ihnen kein Mangel angelastet werden, der eigentlich von Ihrem Nachfolger verursacht wurde.

Bestens vorbereitet durch das Beweissicherungsverfahren

Wie Sie schon gemerkt haben, ist die Beweissicherung auf der Baustelle gar keine so leichte Aufgabe. Erst einmal müssen Sie entscheiden, ob ein privates Gutachten reicht oder Sie tatsächlich ein selbstständiges Beweisverfahren einleiten sollen. Wollen Sie mit der gerichtlichen Variante auf Nummer sicher gehen, kommt anschließend noch einiges an Arbeit auf Sie zu, denn vom Antrag bis zum abschließenden Gerichtsbeschluss ist es ein langer Weg.

Gute Vorbereitung ist deshalb das A und O beim Beweissicherungsverfahren. Mit dem Lesen dieses Beitrags haben Sie bereits den ersten Schritt getan, nun heißt es dokumentieren, Beweismaterial zusammentragen und den Antrag für das selbstständige Beweisverfahren (am besten nach unserem Muster) einreichen!

FAQ – häufige Fragen zum Beweissicherungsverfahren

Wer beauftragt ein Beweissicherungsverfahren?

Vor oder während eines Rechtsstreits am Bau dürfen beide betroffenen Parteien beim zuständigen Prozessgericht ein selbstständiges Beweisverfahren beantragen. Daraufhin bestellt das Gericht einen geeigneten Sachverständigen, der die Beweissicherung vor Ort durchführt.

Unabhängig davon können Sie jederzeit selbst eine private Beweissicherung beauftragen oder durchführen. Der Nachteil: Die Beweiskraft eines Privatgutachtens ist geringer.

Warum ein Beweissicherungsverfahren einleiten?

Mithilfe eines selbstständigen Beweisverfahrens wird der gegenwärtige Zustand eines Bauwerks oder Bauteils dokumentiert (üblicherweise im Falle eines drohenden Rechtsstreits). Es verhindert somit den Verlust wichtiger Beweismittel im weiteren Bauverlauf.

Die private Beweissicherung – vor Baubeginn, während der Bautätigkeit oder im Gewährleistungszeitraum – dient ebenfalls dazu, im Mangel- oder Schadensfall konkrete Beweise in der Hand zu halten.

Welche Beweismittel sind im selbstständigen Beweisverfahren zulässig?

Für die Beweisaufnahme im selbstständigen Beweisverfahren sind laut § 485 ZPO (Deutschland) bzw. § 384 ZPO (Österreich) folgende drei Beweismittel zulässig:

  • Augenschein
  • Vernehmung von Zeugen
  • Gutachten eines Sachverständigen

Ist noch kein Gerichtsverfahren anhängig, kann nur ein Sachverständigengutachten als Beweismittel eingesetzt werden. Ein Privatgutachten gilt zwar als qualifizierter Parteivortrag, dieser hat allerdings weniger Gewicht als ein gerichtlich angeordnetes Gutachten.


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