Eine Branche wie das Bauwesen, das allein für über ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, hat in puncto Nachhaltigkeit besondere Verantwortung zu tragen. Diese Verantwortung ist messbar – z. B. mit den ESG-Kriterien. Doch was steckt eigentlich genau hinter ESG am Bau, was ist für die nachhaltige Baustelle einzuhalten und was bringt die Umsetzung für die eigenen Projekte? Das und mehr erfahren Sie hier!
Was bedeutet ESG?
ESG steht für die drei Bereiche Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). Damit ist das verantwortungsvolle Handeln eines Unternehmens gemeint: Maßnahmen für den Umweltschutz, die Berücksichtigung menschlicher Bedürfnisse und eine nachhaltige Unternehmensführung.

Dabei ist es zuerst einmal irrelevant, von welcher Branche wir sprechen: Die ESG-Kriterien können im Grunde auf jedes Unternehmen quer durch alle Tätigkeitsbereiche angewandt werden.
Ein ähnliches Konzept ist Corporate Social Responsibility – diese bezieht sich jedoch oft mehr auf das Image eines Unternehmens, während ESG ein ganzheitlicher Ansatz ist und etwa bei Investoren als Bewertungsmethode für Nachhaltigkeit beliebter ist.
Was hat ESG mit Nachhaltigkeit in der Baubranche zu tun?
Um ihr Ziel zu erreichen, bis 2050 klimaneutral zu werden, hat die EU die sogenannte EU-Taxonomie-Verordnung erlassen. Diese betrifft die Baubranche zwar in den meisten Fällen nicht direkt, sehr wohl aber über einen kleinen Umweg: den Finanzmarkt. Zur Erklärung:
Die EU-Taxonomie-Verordnung im Überblick
Seit 2020 unterliegen alle Finanzmarktteilnehmer sowie andere kapitalmarktorientierte Betriebe der EU-Taxonomie-Verordnung. Diese stellt einen Kriterienkatalog bereit, der klar und einheitlich definiert, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten und Investitionen als „nachhaltig“ gelten.
Mithilfe dieser Kriterien weisen Unternehmen nach, welchen Beitrag sie zum Umweltschutz leisten. Folgende Ziele sind dabei maßgebend:
Neben dem Erreichen der Klimaziele will die EU damit auch das Risiko von Greenwashing senken. Deshalb müssen betroffene Betriebe verpflichtend alle taxonomierelevanten Investitionen offenlegen. Das hat direkte Auswirkungen auf die Baubranche:
Nachhaltige, ESG-konforme Investitionsobjekte sind extrem gefragt, während Projekte ohne ESG-Strategie künftig keine Anleger mehr finden werden. Bei einer Investitionssumme, die sich gerade bei Großprojekten oft im Millionen- bis Milliardenbereich bewegt, bedeutet dies herbe Verluste.
Die Kriterien für die nachhaltige Baustelle sind also vor allem für die Investoren- und Anlegersuche bei Großprojekten ein hochrelevanter Faktor. Das soll allerdings nicht heißen, dass private Anleger keinen Wert auf die nachhaltige Baustelle legen – hier werden ESG-konforme Bauobjekte ebenfalls immer beliebter. Und die Taxonomie-Verordnung soll in den nächsten Jahren auf noch mehr Betriebe ausgeweitet werden.
Weitere Gründe für ESG am Bau
Doch Investitionsentscheidungen aus dem Finanzsektor sind nicht der einzige Grund, warum ESG am Bau eine immer größere Rolle spielen wird. Weitere Gründe sind etwa die folgenden:
- Die Nachfrage steigt stetig. Auch ohne entsprechende Gesetze wird die nachhaltige Baustelle inzwischen fast als unternehmerische Pflicht betrachtet. Im Gegenzug sinkt das Interesse an billigen „Umweltsünder-Projekten“ immer weiter.
- Nachhaltigkeit auf der Baustelle bringt Wettbewerbsvorteile. Wer frühzeitig auf den Zug aufspringt und ESG-konform baut, erhält eher den Zuschlag für künftige Projekte und sichert damit die Zukunft des eigenen Unternehmens.
- Die Baubranche trägt gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Wir haben es eingangs bereits erwähnt – das Bauwesen war im Jahr 2021 für etwa 37 % der weltweiten Treibhausgasemissionen Mit mehr als einem Drittel der Gesamtemissionen sind nachhaltige Alternativen der einzige Weg für die Baubranche der Zukunft.
Was Nachhaltigkeit am Bau generell bedeutet und welche Faktoren in dieser Branche die größte Rolle spielen, verrät Ihnen übrigens unser Beitrag zu nachhaltigem Bauen.
Die ESG-Kriterien für eine nachhaltige Baustelle
Sie wissen nun, warum um Nachhaltigkeit in der Baubranche kein Weg herumführt. Aber von welchen Maßnahmen sprechen wir eigentlich genau, wenn von Environmental, Social und Governance die Rede ist? Nachstehend eine Übersicht der wichtigsten ESG-Kriterien für Nachhaltigkeit im Bauwesen:
Environmental
Umwelt und Klima
- Treibhausgasemissionen
- Ressourcenmanagement
- Wasserverbrauch
- Energieverbrauch
- Erneuerbare Energiequellen
- Flächenverbrauch & Bodenversiegelung
- Biodiversität
- Abfallmanagement & Recycling
Social
Mensch und Gesellschaft
- Einhaltung von Arbeitsrechten Arbeitssicherheit & Gesundheitsschutz
- faire Arbeitsbedingungen, Entlohnung etc.
- Diversität, Integration & Gleichberechtigung
- Gesellschaftliches Engagement
Governance
Unternehmensstrukturen
- Unternehmensausrichtung, Geschäftspolitik, Strategie
- Nachhaltige Partnerschaften: Lieferanten & Abnehmer
- Bekämpfung von Korruption, Geldwäsche etc.
- Einhaltung der Menschenrechte
- Dokumentation & Qualitätsmanagement
- Reputationsmanagement

Sind diese Kriterien nun alle gleich gewichtet? Interessanten Aufschluss darüber gibt beispielsweise eine aktuelle Studie von Drees & Sommer aus dem Jahr 2022. Den Ergebnissen nach legen Asset Manager im Immobilienbereich besonders oft Wert auf folgende Kriterien:

ESG & Nachhaltigkeit im Bauwesen umsetzen
Kriterien für Nachhaltigkeit am Bau zur Hand zu haben, ist ein guter Anfang. Doch der entscheidende Teil ist natürlich die Umsetzung. Nun wollen wir Ihnen noch einige Prinzipien und Vorschläge liefern, mit welchen ESG am Bau bereits umgesetzt wird oder in Zukunft zum Einsatz kommen soll.
Das C2C-Prinzip – Cradle to Cradle
Einen Grundgedanken für ESG am Bau stellt das C2C- oder Cradle-to-Cradle-Prinzip dar. Cradle to Cradle (Deutsch: Wiege zu Wiege) meint dabei nichts anderes als eine konsequent umgesetzte Kreislaufwirtschaft. Man spricht daher auch von Circular Economy.
Das Prinzip wurde vom deutschen Chemiker Michael Braungart und dem US-amerikanischen Architekten William McDonough erarbeitet. Es kann auf zwei Bereiche angewendet werden: biologische Verbrauchsgüter und technische Gebrauchsgüter.

Gebäude, die nach dem C2C-Prinzip errichtet wurden, verfügen über einige entscheidende Vorteile:
Nachhaltige Sanierung und Urban Mining
Ein weiterer Weg in die Nachhaltigkeit für das Bauwesen ist der Fokus auf Sanierung statt Neubau. Das reduziert beispielsweise den Flächenverbrauch, was in Ballungsräumen oder in Regionen mit begrenzter Nutzfläche – wie etwa im Alpenraum – einen wertvollen Beitrag leistet.
Die Sanierung darf die Lebenszeit allerdings nicht nur um ein paar weitere Jahre verlängern. Das Ziel ist es, ein Gebäude im Hinblick auf Umwelt, Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz langfristig zukunftsfit zu machen. Ist eine zukunftssichere Sanierung nicht mehr möglich, ist ein Abriss und Neubau die bessere Wahl.
Hier kommt z. B. „Urban Mining“ ins Spiel: Dabei werden Rohstoffe aus bereits bestehenden Gebäuden wiederverwertet. Beim Abriss wird alles genutzt, was in irgendeiner Form noch recycelt werden kann. Urban Mining versucht außerdem, dies so nah wie möglich am Bauort des neuen Gebäudes durchzuführen. Das verkürzt Transportwege, was wiederum den CO2-Fußabdruck minimiert.
Nachhaltigkeit als Kriterium im Bauvertrag
Weniger praktisch orientiert, aber nicht weniger wichtig ist die rechtliche Seite der Nachhaltigkeit am Bau. Wer sich frühzeitig absichern möchte, dass sich alle Beteiligten des Projekts an vorgegebene ESG-Kriterien halten, schreibt die Nachhaltigkeits-Ziele am besten im Bauvertrag fest.
Ratsam ist dabei, nicht nur einen allgemeinen Nachhaltigkeits-Grundsatz zu vereinbaren, sondern konkrete Ziele. Ansonsten herrscht auf der Baustelle Unklarheit darüber, was mit der allgemeinen Floskel genau gemeint ist. Das führt früher oder später unweigerlich zu Konflikten.
Lückenlose Dokumentation als Nachweis
Jedes Unternehmen kann zwar behaupten, die eigenen Baustellen nachhaltig zu führen. Doch Investoren fordern natürlich einen Nachweis. Nicht ohne Grund ist die Dokumentation für Immobilienunternehmen eines der entscheidenden ESG-Kriterien.
Die Baustellendokumentation ist ohnehin schon ein Erfolgskriterium für Ihre Bauprojekte, mit zunehmendem Fokus auf Nachhaltigkeit im Bauwesen wird nun noch genauer dokumentiert. Die Einhaltung von ESG wird z. B. mithilfe von Datenblättern zu Baumaterialien und Nachweisen über Lärmbelastung oder Schadstoffemissionen belegt.
Digitalisierung als Grundstein von Nachhaltigkeit am Bau
Als Anbieter von Bausoftware liegt uns ein Thema besonders am Herzen, das einen entscheidenden Beitrag zur Nachhaltigkeit am Bau leistet: Digitalisierung. Und dabei meinen wir viel mehr als nur den Verzicht auf Papierunterlagen.
Digitalisierung sorgt für:

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ESG am Bau: frühere Umsetzung, bessere Chancen
Für Nachhaltigkeit in der Baubranche ist es also bereits höchste Zeit – die Umstellung aller Prozesse beginnt am besten schon gestern. Denn Bauvorhaben, die jetzt geplant werden, sind in einigen Jahren als Investitions- und Anlageobjekte auf dem Markt.
Und mit jedem Jahr werden nachhaltige Investitionen gefragter! Lassen Sie sich daher nicht zu lange Zeit, denn die ESG-Kriterien werden am Bau schon bald erfolgsentscheidend sein.
FAQ zu ESG am Bau
Ist ESG am Bau verpflichtend?
Für Bauunternehmen ist das Einhalten der ESG-Kriterien nicht verpflichtend. Allerdings müssen ihre Investoren – Unternehmen des Finanzsektors – aufgrund der EU-Taxonomie-Verordnung alle Unterlagen offenlegen, die das nachhaltige Wirtschaften betreffen.
Darunter fallen auch Investitionsentscheidungen, und damit Immobilien und Anlageobjekte, die von Bauunternehmen errichtet werden. ESG ist am Bau demnach nicht verpflichtend, aber dringend zu empfehlen.
Was ist ESG-konform?
„ESG-konform“ bedeutet für einen Betrieb, umweltfreundliche Maßnahmen zu treffen (Environmental), sozial verträglich zu agieren (Social) und das eigene Unternehmen wirtschaftlich und zukunftssicher zu führen (Governance).
Für wen ist ESG relevant?
ESG ist vordergründig für kapitalmarktorientierte Unternehmen relevant, die nach diesen Kriterien ihre Nachhaltigkeitsbemühungen nachweisen können. Viele andere Branchen sind jedoch über den Finanzmarkt indirekt davon betroffen, so auch die Baubranche.
Was ist das Ziel von ESG?
ESG (Environmental, Social, Governance) bewertet Unternehmen auf deren Umweltfreundlichkeit, gesellschaftliche Aspekte und nachhaltige Unternehmensführung. Das Ziel ist es, einerseits Betrieben einen Handlungsleitfaden zur Verfügung zu stellen, andererseits Bewertungskriterien für potenzielle Investoren, Stakeholder, Kunden und die Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Blickt man noch weiter, ist das globale Ziel der ESG-Kriterien, den Klimawandel einzudämmen, soziale Gerechtigkeit zu erreichen und verantwortungsvolle, wirtschaftliche Unternehmen zu fördern.