Nachtragsangebot: VOB-Nachtrag schreiben

Geschrieben von

Maya Friedrich

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BaublogRechtliches

Wenn eine Baufirma zusätzliche Leistungen erbringen soll, macht sie das selbstverständlich nicht umsonst. In diesem Fall kommt es zu einem Nachtrag. Dieser führt allerdings oft zu Konfrontationen: Während Auftraggeber keine zusätzlichen Kosten wollen, fürchten die Auftragnehmer, auf ebendiesen Kosten sitzenzubleiben. Daher ist beim Schreiben eines Nachtragsangebots sowie bei der Nachtragsprüfung ein wenig Vorsicht angebracht. Wir klären die wichtigsten Fakten.

Sie möchten einen Nachtrag formulieren und suchen ein Muster für das Nachtragsangebot? Weiter unten im Ratgeber stellen wir Ihnen eine umfangreiche Vorlagen-Sammlung für einen VOB-Nachtrag samt weiteren Nachtragsdokumenten und Rechtsverweisen zur Verfügung.

Was versteht man unter Nachtrag?

Ein Nachtrag (auch „Nachforderung“ oder „Nachtragsforderung“) ist eine Forderung auf zusätzliche Vergütung für eine Bauleistung – wenn diese Leistung deutlich über den im Bauvertrag vereinbarten Umfang hinausgeht. Dazu erstellt der Auftragnehmer ein Nachtragsangebot für den Auftraggeber.

Wichtig: Ein Nachtrag ist erst im Nachhinein (nach Vertragsabschluss) möglich.

Besonders genau geregelt ist der Nachtrag bei VOB-Verträgen – ausschlaggebend dafür ist § 2 VOB/B. Den VOB-Nachtrag behandeln wir später noch im Detail.

Nachtragsangebot Grafik

Was ist ein Nachtragsangebot?

Der Auftragnehmer schreibt ein Nachtragsangebot (auch „Nachtragsofferte“), wenn der Auftraggeber im Laufe der Bauausführung zusätzliche/geänderte Leistungen verlangt, oder wenn diese für den Bauabschluss notwendig werden. Im Angebot bietet der Auftragnehmer die neuen Leistungen zu einem aus seiner Sicht angemessenen Preis an. Es besteht aus einer Nachtragsbegründung und der Nachtragskalkulation.

BGB- oder VOB-Nachtrag: Die Unterschiede

Sowohl die allgemeine Gesetzgebung als auch die VOB enthalten Regelungen zum Nachtragsangebot. Das BGB (§ 650b) kennt zwei Anwendungsfälle für Nachträge:

  • Der Auftraggeber wünscht eine Änderung des vereinbarten Werkserfolgs.
  • Die Änderung ist nötig, um den vereinbarten Werkserfolg zu erreichen.

In beiden Fällen ist der Auftragnehmer verpflichtet, ein Nachtragsangebot zu stellen, sofern die Leistungsänderung zumutbar ist.

Laut § 1 Abs. 4 VOB/B ist der Auftragnehmer dazu verpflichtet, nicht vereinbarte Leistungen mit auszuführen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden. Dafür darf er in bestimmten Fällen eine Vergütung fordern. Der Unterschied zum BGB: Die Anwendungsfälle für den Bau sind in § 2 VOB/B besser definiert. Dazu gleich mehr.

VOB-Nachtragsarten: Wann kann ein Nachtrag formuliert werden?

Da die Regelungen zum Nachtrag im BGB nicht bauspezifisch sind, holt die VOB weiter aus. Die folgenden Anwendungsfälle kommen bei einem Nachtrag laut VOB zum Tragen:

  • 2 Abs. 3: Mehr- oder Mindermengen
  • 2 Abs. 4: Wegfall von Leistungen
  • 2 Abs. 5: geänderte Leistungen
  • 2 Abs. 6: zusätzliche Leistungen
  • 2 Abs. 7: Preisausgleich bei Pauschalsummen
  • 2 Abs. 8: eigenmächtig ausgeführte Zusatzleistungen
  • 2 Abs. 9: Vergütung für Zeichnungen, Berechnungen oder ähnliche Unterlagen
Nachtrag VOB Nachtragsarten

§ 2 Abs. 3 VOB/B: Mehr- oder Mindermengen

Mehr- oder Mindermengen von Materialien kommen am Bau besonders häufig vor. Werden die laut Ausschreibung vereinbarten Materialmengen über- oder unterschritten, darf der Einheitspreis dafür mithilfe eines VOB-Nachtrags angepasst werden. Das jedoch nur unter zwei Voraussetzungen:

  • Die Mengenänderung muss plausibel begründet werden. Zulässig ist beispielsweise, wenn eine Menge falsch ins Leistungsverzeichnis übernommen wurde oder ein Rechenfehler passiert ist.
  • Die Mengenänderung muss mehr als 10 % ausmachen, egal in welche Richtung.

§ 2 Abs. 4 VOB/B: Wegfall von Leistungen

Ein weiterer Grund für einen Nachtrag sind Nullpositionen: dabei handelt es sich um Leistungen, die ersatzlos entfallen sind. Sie scheinen zwar im LV auf, ihre Menge wurde aber auf Null gesetzt. Ist der Auftraggeber für die Nullposition verantwortlich (weil er die Leistung z. B. selbst durchführen will), hat der Auftragnehmer Anspruch auf eine Vergütung für die entfallene Leistung.

Um diese Vergütung einzufordern, kann er einen Nachtrag formulieren. Allerdings muss er sich seine Ersparnisse durch den Wegfall der Leistung anrechnen lassen, z. B. eingesparte Lohnkosten, Geräte- und Materialkosten, Kosten für die Baustelleneinrichtung etc.

§ 2 Abs. 5 VOB/B: geänderte Leistungen

Ein Nachtrag lt. VOB ist außerdem möglich, wenn der Bauentwurf auf Wunsch des Auftraggebers geändert wird. Änderungen in den Bauplänen bedeuten sehr oft Änderungen in den auszuführenden Leistungen. Dies beeinflusst wiederum die Kosten, die dem Bauunternehmer entstehen. Andere Änderungen durch den Auftraggeber haben ebenso häufig einen Nachtrag zur Folge, etwa eine Bauzeitverlängerung.

§ 2 Abs. 6 VOB/B: zusätzliche Leistungen

Unter zusätzliche Leistungen fallen solche, die nicht oder nur unvollständig ausgeschrieben waren. Es muss sich also um eine Leistung handeln, die im Bauvertrag ursprünglich nicht vorgesehen war. Gute Chancen auf einen Nachtrag hat der Auftragnehmer, wenn vom Auftraggeber oder dessen Architekt bzw. Planer nur eine grobe, lückenhafte Leistungsbeschreibung erstellt wurde.

Um die Nachtragsforderung für zusätzliche Leistungen geltend zu machen, ist schon vor der Ausführung ein Nachtragsangebot zu schreiben. Die VOB empfiehlt außerdem, sich bereits vorher über die Vergütung zu einigen.

Nachtrag VOB zusätzliche Leistungen

§ 2 Abs. 7 VOB/B: Preisausgleich bei Pauschalsummen

Bei Bauverträgen, in welchen Pauschalsummen anstelle von Einheitspreisen vereinbart wurden, bleibt die Vergütung üblicherweise immer dieselbe. Das ändert sich nur, wenn der Leistungsumfang so stark vom Bauvertrag abweicht, dass ein Festhalten an den pauschal vereinbarten Kosten für einen oder beide Vertragspartner nicht mehr zumutbar ist (siehe § 313 BGB).

Das ist etwa der Fall, wenn einer der beiden Partner nun erhebliche Verluste machen würde. Der Grund für den Verlust darf allerdings nicht bei Vertragsabschluss vorhersehbar gewesen sein. Die Grenze liegt in der Praxis bei etwa 20 % Mehr- oder Minderkosten.

§ 2 Abs. 8 VOB/B: eigenmächtig ausgeführte Zusatzleistungen

Zusatzleistungen, die nicht vom Auftraggeber angeordnet, sondern eigenmächtig ausgeführt wurden, sind ein heikles Thema. Ein Vergütungsanspruch kann nur dann geltend gemacht werden, wenn

  • …der Auftraggeber die Leistung nachträglich anerkennt.
  • …die Leistung zur Erfüllung des Vertrags notwendig war und dem Willen des Auftraggebers entsprach.
  • …die Leistung dem Auftraggeber unverzüglich angezeigt

§ 2 Abs. 9 VOB/B: Vergütung für Zeichnungen, Berechnungen oder ähnliche Unterlagen

Alle Berechnungen, Zeichnungen oder sonstigen Unterlagen, die dem Vertrag nach nicht erstellt werden müssen, stellen ebenfalls eine Grundlage für einen VOB-Nachtrag dar. Auch die Prüfung von Berechnungen, die nicht ursprünglich vom Auftragnehmer aufgestellt wurden, kann dieser sich vergüten lassen.

Wie hoch darf ein Nachtragsangebot sein?

Laut VOB/B (§2 Abs. 5 und 6) soll sich der neue Preis im Nachtragsangebot an den tatsächlichen Mehr- oder Minderkosten orientieren. Als Grundlage für die Nachtragskalkulation dient die Urkalkulation, mit welcher die vertragliche Leistung berechnet wurde. Diese wird mit der tatsächlich ausgeführten Leistung verglichen, um die Abweichungen zu bestimmen.

Ablauf: vom Nachtragsangebot zum erfolgreichen Nachtrag

Wenn der Bauvertrag durch einen Nachtrag nach VOB ergänzt werden soll, ist das eine schwierige Angelegenheit für beide Vertragsparteien – wie immer, wenn die Geldfrage aufkommt. Üblicherweise läuft der Prozess wie folgt:

Nachtragsangebot Ablauf

1 Nachtrag ankündigen

Sobald ein Nachtrag lt. VOB geltend gemacht werden kann, muss die andere Vertragspartei so bald wie möglich informiert werden. Meistens ist der Nachtrag Sache des Auftragnehmers, nur in seltenen Fällen wird dieser vom Auftraggeber formuliert.

2 Nachtragsangebot schreiben (inkl. Kalkulationsnachweis)

Ist der Nachtrag angekündigt, machen Sie sich daran, das Nachtragsangebot zu schreiben. Wichtig ist, dass dieses ausführlich, übersichtlich und leicht nachvollziehbar ist. Das vermittelt Ihrem Gegenüber, dass die Nachtragsforderung gut durchdacht wurde.

Ein Nachtragsangebot sollte die folgenden Bestandteile enthalten:

  • Anschreiben mit plausibler Nachtragsbegründung
  • Kalkulationsnachweis
  • Nachtragsleistungsverzeichnis
  • weitere Dokumente zur Unterstützung der Forderung

Die Nachtragsbegründung muss belegen, dass die richtigen Voraussetzungen gegeben sind und der Nachtrag laut VOB überhaupt zulässig ist. Dementsprechend sollte die Begründung ausführlich und bedacht formuliert sein.

Ein Kalkulationsnachweis ist nötig, um dem Auftraggeber eine einfache Preisprüfung zu ermöglichen. Sehr oft wurde zu Beginn des Projekts eine Urkalkulation beim Auftraggeber hinterlegt, mit welcher dieser die Nachtragskalkulation vergleichen kann. Der Kalkulationsnachweis muss sich also an der ursprünglichen Kalkulation für den Bauvertrag orientieren. Insbesondere an folgenden Positionen:

  • Kalkulationslohn
  • Stoffkosten, Gerätekosten und sonstige Kosten
  • Baustellengemeinkosten und allgemeine Geschäftskosten
  • Wagnis und Gewinn

Zudem werden alle betroffenen Leistungspositionen in einem übersichtlichen Nachtrags-LV dokumentiert. Dieses ist zwar nicht verpflichtend vom Auftragnehmer zu erstellen, in der Praxis wird es aber häufig so gehandhabt. Zusätzliche Unterlagen können unterstützend wirken, z. B. Baubesprechungsprotokolle.

Nachtrag Beweissicherung

3 Nachtragsangebot samt Unterlagen einreichen

Die Arbeit des Auftragnehmers ist an dieser Stelle erledigt, nun müssen Sie nur noch das Angebot abgeben und auf dessen Prüfung warten. Je sorgfältiger Sie bis zu diesem Punkt vorgegangen sind, desto besser stehen Ihre Chancen, dass der Auftraggeber die Nachtragsforderung akzeptiert.

4 Nachtragsprüfung durch den Auftraggeber

Schließlich prüft der Auftraggeber die Nachtragsforderung. Diese Prüfung findet in zwei Teilen statt: der Sachprüfung und der Preisprüfung.

Die Sachprüfung dient dazu, die Rechtmäßigkeit des Nachtrags zu bewerten. Fehlen wichtige Angaben, ist das Angebot nicht prüfbar und wird dem Auftragnehmer zurückgestellt. Akzeptiert der Auftraggeber hingegen den Inhalt, gilt das Angebot als sachlich anerkannt.

Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob der Auftraggeber auch mit dem Preis einverstanden ist. Daher folgt im zweiten Schritt die Preisprüfung. Hier zeigt sich nun der Wert eines guten Kalkulationsnachweises.

Die Nachtragsprüfung endet mit einem der folgenden Ergebnisse:

  • Der Auftraggeber empfindet den Nachtrag als unberechtigt: Im Falle einer unberechtigten Nachtragsforderung wird der Auftraggeber das Angebot komplett ablehnen.
  • Das Angebot ist für den Auftraggeber zweifelhaft/nicht nachvollziehbar: Wenn das Angebot nicht klar genug ist oder Positionen strittig sind, benötigt der Auftraggeber weitere Informationen. Die strittigen Punkte werden oft in der Nachtragsverhandlung aufgeklärt.
  • Der Nachtrag ist geprüft und anerkannt: Der Auftraggeber akzeptiert das Angebot und beauftragt die Nachtragsleistungen. Die Ausführung kann beginnen.

Konfliktmanagement rund um das Nachtragsangebot

Ein Nachtrag – ob gerechtfertigt oder nicht – führt schnell zu Konflikten. Im Bauvertragsrecht gilt jedoch eine Kooperationspflicht. Beide Vertragsparteien müssen verhandeln, Vorschläge des anderen zur Kenntnis nehmen und Streitigkeiten möglichst einvernehmlich beilegen.

  • Für den Auftragnehmer bedeutet das, ein angemessenes Angebot zu stellen, bei dem nicht schon im Vorhinein klar ist, dass es ohnehin abgelehnt wird.
  • Der Auftraggeber muss sich wiederum genau mit den Nachtragsangebot auseinandersetzen, das Prüfungsergebnis nachvollziehbar mitteilen und den nötigen Verhandlungsspielraum bieten.

Das Angebot einfach abzulehnen, ohne die Möglichkeit für ein Gespräch zu bieten, ist daher die denkbar schlechteste Option und führt nur zu Bauverzögerungen. Besser ist es, gemeinsam eine Lösung zu suchen: Vielleicht können z. B. einige Positionen entfallen oder günstiger angeboten werden. Wichtig ist wie immer gute Kommunikation.

Ein Nachtragsangebot ist nicht immer ein schlechtes Zeichen

Ein Nachtragsangebot ruft gern Skepsis und Vorurteile hervor: einerseits gierige Baufirmen, andererseits Bauherren, die Leistung nicht honorieren. Doch das stimmt so nicht – im Gegenteil: Wenn ein VOB-Nachtrag von beiden Seiten neutral und sachlich behandelt wird, sorgt er dafür, dass am Ende beide Vertragsparteien zufrieden sind und fördert sogar die konstruktive Zusammenarbeit.

FAQ zum Nachtragsangebot

Wie schreibt man ein Nachtragsangebot?

Das Nachtragsangebot muss sachlich sein und plausibel darlegen, warum eine zusätzliche Vergütung für bestimmte Bauleistungen gerechtfertigt ist. Halten Sie sich dabei an die Nachtragsarten lt. § 2 VOB/B. Ein beigelegter Kalkulationsnachweis hilft dem Auftraggeber, die Höhe des Nachtrags zu prüfen.

Wer prüft Nachträge?

Nachträge müssen vom Auftraggeber oder dessen Vertreter geprüft werden, z. B. Architekt oder Bauleiter. Diese Aufgabe ist Teil des Nachtragsmanagements. Die Prüfung erfolgt in zwei Teilen: sachlich und preislich.

Wann ist ein Nachtrag nicht prüfbar?

Ein Nachtrag ist z. B. in folgenden Fällen nicht prüfbar:

  • wenn die Nachtragsbegründung fehlt
  • wenn der Auftragnehmer die Ursprungskalkulation nicht offenlegt
  • wenn keine Nachtragskalkulation geliefert wird
  • wenn nicht ersichtlich ist, um welche Leistungen es eigentlich geht

In diesen Fällen kann der Auftraggeber das Nachtragsangebot zur Überarbeitung zurückstellen und muss vorerst keine Vergütung dafür leisten.