Die fertige Fassade, der verlegte Boden oder die verputzten Innenwände: all diese Teile bleiben zwar nach Abschluss eines Neubaus sichtbar. Doch das gilt längst nicht für alle geleisteten Arbeiten. Vieles verschwindet schon früh im Inneren der Bauteile und muss rechtzeitig vorher geprüft werden. Genau diesem Zweck dient die Zustandsfeststellung nach VOB/B bzw. technische Abnahme. Alles, was Sie zu diesem Thema wissen müssen, haben wir in diesem Beitrag für Sie zusammengestellt.
- Was ist eine Zustandsfeststellung laut VOB?
- Was ist der Unterschied zwischen Zustandsfeststellung und Teilabnahme?
- Vorteile der Zustandsfeststellung
- Ablauf einer technischen Abnahme
- Was passiert, wenn eine technische Abnahme verweigert wird?
- Tipps für effiziente Zusammenarbeit bei der Zustandsfeststellung
- Von der Zustandsfeststellung nach VOB zur tatsächlichen Abnahme
Was ist eine Zustandsfeststellung laut VOB?
Eine Zustandsfeststellung nach § 4 Abs. 10 VOB/B kann während der Bauausführung von den Vertragspartnern eingefordert werden, wenn Teile einer Bauleistung später durch den Baufortschritt verdeckt werden. Beide Parteien nehmen dann gemeinsam eine Überprüfung der Leistung vor und dokumentieren diese schriftlich.
In der Praxis wird die Zustandsfeststellung auch „technische Abnahme“ oder seltener „Zwischenabnahme lt. VOB“ genannt. Technische Abnahme deswegen, da es sich nur um eine technische Überprüfung ohne rechtliche Folgen handelt, nicht aber um eine tatsächliche Teilabnahme der Leistung – dazu später mehr.
Als Hilfestellung bzw. als Zustandsfeststellungs-Protokoll gibt es seit einigen Jahren praktischerweise das Formblatt 441 aus dem Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017). Dieses dient als Muster, damit Sie bei der Begutachtung nichts vergessen. Wir raten Ihnen daher, darauf zurückzugreifen.

Zustandsfeststellung VOB vs. BGB
Das Recht auf eine Zustandsfeststellung nach VOB gilt selbstverständlich nur bei VOB-Verträgen. Doch wie sieht es bei Bauverträgen nach BGB aus? Hier ist Vorsicht geboten: Denn der Begriff „Zustandsfeststellung“ scheint zwar seit 2018 in § 650g BGB auf, hat dort jedoch eine andere Bedeutung.
Im BGB handelt es sich dabei um eine Regelung, die erst bei der Bauabnahme greift: Wenn der Auftraggeber die Abnahme aufgrund von Mängeln verweigert, darf die Baufirma eine gemeinsame Feststellung des Zustands eines Werkes verlangen.
Die Feststellung hat in diesem Fall den Zweck, trotz fehlgeschlagener Abnahme den Zustand der fertiggestellten Leistung zu dokumentieren. Das dient dem Bauunternehmen als Absicherung der einwandfreien Arbeit und verhindert zusätzliche Streitigkeiten.

Gibt es eine ähnliche Regelung in Österreich?
Im ABGB oder in der Bauvertragsnorm ÖNORM B 2110 ist keine direkte Regelung zur Zustandsfeststellung zu finden – hier werden nur die Abnahme von Teilleistungen und die endgültige Bauabnahme behandelt.
Ein genauer Blick auf die ÖNORM:
Allgemeiner formuliert wird in der ÖNORM B 2110 lediglich vermerkt, dass bei der Ausschreibung eigene Positionen für bestimmte Leistungen – darunter auch das “Beistellen von Arbeitskräften, Geräten und Materialien, z. B. für Kontrollmessungen sowie für Prüfungen des Werkes durch den AG” – vorgesehen werden sollten.
Passend dazu wird im Abschnitt 6.2.6 der ÖNORM angemerkt, dass Überprüfungen, die die Leistungen des Arbeitnehmers oder seiner Subunternehmer betreffen und die bereits vereinbart wurden, vorher angemeldet werden müssen.
Weiters werden Funktionsprüfungen im Abschnitt zur Führung der Bautagesberichte genannt, die dort als Teil der Leistung festzuhalten sind. Außerdem sind Funktionsprüfungen vom Arbeitnehmer vor der Aufforderung zur Übernahme der Leistung durch den Auftraggeber auf jeden Fall durchzuführen.
Natürlich kann ein entsprechender Passus zu einer konkreten “Zustandsfestellung” trotzdem in den Bauvertrag aufgenommen werden. Zur zusätzlichen Absicherung ist das für beide Seiten empfehlenswert.
Was ist der Unterschied zwischen Zustandsfeststellung und Teilabnahme?
Die Begriffe „technische Abnahme“ und „Zwischenabnahme nach VOB“ sind insofern irreführend, da eine Zustandsfeststellung keine echte Abnahme einer Bauleistung nach § 12 VOB/B darstellt. Stattdessen dient sie nur als Vorbereitung für die spätere Abnahme. Was bedeutet das nun konkret?
- Mit einer echten Teilabnahme bzw. Abnahme nach VOB bestätigt der Auftraggeber, dass die Leistung wie vertraglich vereinbart ausgeführt wurde. Damit geht die Gefahr für die Leistung auf den Auftraggeber über und die Gewährleistungsfrist beginnt zu laufen.
- Bei einer Zustandsfeststellung nach VOB treten hingegen keine rechtlichen Folgen ein – keine Bestätigung der Mängelfreiheit, kein Übergang des Risikos und kein Start der Gewährleistungsfristen.

Vorteile der Zustandsfeststellung
Wie eben schon erwähnt ist eine Zustandsfeststellung nach VOB eine reine technische Überprüfung einer Leistung und keine Abnahme. Als Auftraggeber haben Sie daher bei verdeckten Baumängeln keine zusätzlichen Probleme zu befürchten. Das Risiko bleibt weiterhin beim ausführenden Betrieb. Sie halten also einfach nur den Stand der Arbeiten fest, ohne bestätigen zu müssen, dass diese vertragsgerecht ausgeführt wurden.
Aber wenn daraus keine rechtliche Wirkung resultiert, wofür ist eine solche Feststellung dann überhaupt notwendig? Im Grunde geht es dabei um Beweissicherheit. Das gemeinsame Prüfen und Dokumentieren einer später nicht mehr sichtbaren Bauleistung ist eine Absicherung für beide Vertragsparteien.
Das hilft Ihnen dabei, …
- …frühzeitig eine mangelhafte Ausführung zu erkennen, bevor daraus schwerwiegende Mängel werden.
- …Beweise für eventuelle spätere Streitigkeiten zu sammeln.
- …eine rundum vollständige und lückenlose Baustellendokumentation zu erstellen.
Tipp: Zwar entstehen Ihnen durch den Feststellungstermin keine rechtlichen Folgen, trotzdem ist es ratsam, während der Begutachtung möglichst umfangreich zu dokumentieren. Ebenfalls sinnvoll ist es, zusätzliche Unterlagen für mehr Beweiskraft beizulegen. Laut Formblatt 441 können das z. B. Produkt- bzw. Funktionsnachweise, Prüfzeugnisse oder Gutachten von Sonderfachleuten sein.

Ablauf einer technischen Abnahme
Die VOB-Zwischenabnahme darf sowohl vom Auftraggeber als auch vom Auftragnehmer angefordert werden. Wie das funktioniert und wie der übliche Ablauf aussieht, fassen wir im Folgenden kurz für Sie zusammen:
- Jene Partei, die eine Feststellung wünscht, versendet eine schriftliche Aufforderung zur technischen Abnahme.
- Anschließend wird ein gemeinsamer Termin vor Ort vereinbart, um die Leistung zu begutachten. Wichtig: Eine Feststellung durch nur eine Partei ist nur dann erlaubt, wenn die andere Partei ausdrücklich ihre Teilnahme am Termin verweigert (dazu mehr im nächsten Abschnitt).
- Das Ergebnis wird dann in einem entsprechenden Baustellenprotokoll festgehalten.
- Auftraggeber und Auftragnehmer erhalten anschließend beide eine unterzeichnete Kopie des Protokolls.
- Wurden beim gemeinsamen Termin Mängel festgestellt, muss innerhalb einer angemessenen Frist die Mängelbeseitigung erfolgen. Die Regelung dazu findet sich in § 4 Abs. 7 VOB/B (ggf. auch Abs. 6).
- Bestreitet der Auftragnehmer die Mängel, ist er in der Beweispflicht – er muss also seine einwandfreie, vertragsgerechte Arbeit nachweisen.
Tipp für ein Zustandsfeststellungs-Protokoll-Muster
Hier sei noch einmal angemerkt, dass Ihnen das Formblatt 441 des VHB-Bunds als Zustandsfeststellungs-Formular die Arbeit erleichtert – mit dessen Nutzung müssen Sie nicht selbst an alle Einzelheiten denken und haben gleich ein beweissicheres Protokoll in der Hand. Auf Seite 297 und 298 des Handbuches vom VHB finden Sie das Musterformular:
–> Formblatt 441 – VHB-Bund

Was passiert, wenn eine technische Abnahme verweigert wird?
Üblicherweise sind beide Vertragsparteien dazu verpflichtet, einer technischen Abnahme zuzustimmen und diese gemeinsam durchzuführen – es sei denn, die Durchführung solcher Zwischenabnahmen wurde bereits im Vorhinein vertraglich ausgeschlossen. Ansonsten entstehen der verweigernden Partei dadurch erhebliche Nachteile:
- Verweigerung durch Auftraggeber: Wenn der Auftraggeber die Zustandsfeststellung nach VOB verweigert, muss er bei einem späteren Mangel selbst Beweise liefern, dass dieser von der Baufirma verursacht wurde. Diese darf zudem ggf. Schadenersatzansprüche stellen.
- Verweigerung durch Auftragnehmer: Will der Auftragnehmer nicht an der Zustandsfeststellung nach VOB teilnehmen, kann der Auftraggeber diese allein durchführen und das Ergebnis schriftlich mitteilen. Die Baufirma hat nun jedoch keine Möglichkeit, sich bei Mängeln zu rechtfertigen und die Sachlage zu klären.
Nachdem im Grunde beiden Seiten nur Nachteile entstehen, wenn es keine gemeinsame technische Abnahme gibt, sollten Sie sich unbedingt um eine gute Zusammenarbeit bemühen. Denn am Ende profitieren alle von einem kooperativen Klima auf der Baustelle und einer lückenlosen Aufzeichnung des Baugeschehens.
Mithilfe moderner, digitaler Unterstützung müssen Sie sich dabei auch keine Gedanken um die notwendige Arbeitszeit machen. Im Gegenteil, dank vereinfachter Dokumentation und besserer Kommunikation mit anderen Baubeteiligten sparen Sie viele unnötige Überstunden. Wie das funktioniert? Das erfahren Sie jetzt!
Tipps für effiziente Zusammenarbeit bei der Zustandsfeststellung
Zwischenabnahmen am Bau kosten Zeit, vor allem für die Bauleitung. Gerade bei großen Projekten mit vielen Einzelschritten ist es zeitraubend und aufwändig, jede Bauleistung im Auge zu behalten und rechtzeitig zu prüfen. Zusätzlich müssen Sie sich mit den unterschiedlichsten Baufirmen abstimmen, gemeinsame Termine finden, Diskussionen über Mängel führen etc.
Das schlimmste Szenario: wenn die Sorgfältigkeit aufgrund von Zeitmangel leiden muss oder Sie vor lauter Überstunden ins Burnout schlittern. Deshalb einige Tipps, damit sich der Prozess nicht zu sehr in die Länge zieht:
Technische Abnahme im Vertrag festlegen
Bei Zustandsfeststellungen ist es grundlegend, die richtige Balance zu finden. Die wichtigsten Teilleistungen gehören zwar unbedingt dokumentiert – doch wenn für jedes einzelne Leistungsdetail eine technische Abnahme gefordert wird, kommen Sie aus den ständigen Terminen nicht mehr heraus. Legen Sie daher schon vor Leistungsbeginn im Vertrag fest, was technisch abgenommen wird und was nicht.
Bauleistungen digital überwachen
Eine Bauprojektmanagement-Software wie BauMaster® erleichtert Ihnen die Arbeit ungemein – denn Sie müssen nicht alle Details im Kopf haben. Praktische Übersichten, Aufgabenlisten, Mängellisten u. v. m. zeigen Ihnen genau an, was gerade auf der Baustelle passiert.
In der übersichtlichen Kontakteverwaltung finden Sie auf einen Blick all Ihre Baupartner und können ganz einfach nach deren Aufgaben filtern. So sehen Sie in wenigen Sekunden, welche Leistungen demnächst geprüft werden müssen. Das Ergebnis: Sie arbeiten strukturierter und laufen nicht mehr Gefahr, wichtige Kontrollen zu vergessen.

Einfacher kommunizieren
Auch die Abstimmung untereinander wird einfacher, wenn Sie auf vernetztes Arbeiten mit Tools wie BauMaster® setzen. Sie haben eine fertiggestellte Leistung entdeckt, für die Sie gerne eine Zustandsfeststellung nach VOB anfordern möchten? Dann nur noch direkt über die Plattform einen Termin vereinbaren und schon ist der administrative Teil erledigt.
Ebenfalls praktisch: Wollen Sie vor dem Termin noch schnell irgendein Detail zur betreffenden Bauleistung prüfen, finden Sie alle Informationen auf einen Blick in der Software, ohne langes und lästiges Suchen.
Digital dokumentieren
Bei der eigentlichen Zwischenabnahme sparen Sie sich mit digitalen Lösungen ebenso eine Menge Zeit. Denn Sie können den Zustand der Leistung direkt per mobiler App dokumentieren – ohne Notizzettel und ohne Nacharbeit. Einfach alle Details in die Protokollvorlage eintragen, Fotos machen und per Knopfdruck alles gemeinsam abspeichern. So geht langfristige Beweissicherheit im digitalen Zeitalter!

Von der Zustandsfeststellung nach VOB zur tatsächlichen Abnahme
Eine ordentlich durchgeführte und dokumentierte Zustandsfeststellung nach VOB ist ein zwar kleiner, aber nicht unwichtiger Schritt hin zum erfolgreichen Bauen. Denn diese Vorarbeit hilft Ihnen schlussendlich dabei, ohne Scherereien durch die tatsächliche Bauabnahme zu gelangen. Mit den Informationen aus diesem Ratgeber im Hinterkopf – und dem richtigen (digitalen) Werkzeug in der Hand – sind Sie nun perfekt für künftige technische Abnahmen gerüstet.