Das Ziel jedes Bauprojekts ist es, Qualität, Zeit und Kosten in Balance zu halten. Doch wie lässt sich das in einer Branche erreichen, die mit knappen Ressourcen, komplexen Anforderungen und straffen Zeitplänen zu kämpfen hat? Eine Antwort auf diese Frage liegt in den Lean-Prinzipien:
Dieser Ansatz stammt zwar ursprünglich aus der Automobilindustrie, ist für das Bauwesen – und im Grunde für jede andere Branche – jedoch genauso umsetzbar. In diesem Ratgeber erfahren Sie alles über die 5 Lean-Prinzipien und deren Vorteile für die Baubranche.
- Lean Management und die Lean-Prinzipien: Definition
- Die 5 Lean-Prinzipien im Detail
- Vorteile der Lean-Management-Prinzipien für den Bau
- Herausforderungen bei der Umsetzung der Lean-Grundsätze
- Agiles Bauprojektmanagement nach den Lean-Prinzipien
- Mit den Lean-Prinzipien für die Zukunft gerüstet
- FAQ: Lean-Management-Prinzipien
Lean Management und die Lean-Prinzipien: Definition
Lean bedeutet „schlank“ und ist ein Konzept für die Prozessoptimierung. Es bezeichnet kurz zusammengefasst die Reduktion aller Abläufe auf das Wesentliche. Rund um Lean sind zwei Begriffe besonders wichtig:
Lean Management: Definition
Lean Management bezeichnet die Unternehmensführung oder Projektleitung nach dem Lean-Konzept, also die Vermeidung von Verschwendung und stetige Optimierung aller Prozesse. Das Ziel lautet: Zeit und Kosten so weit wie möglich zu senken, dabei jedoch die Qualität beizubehalten oder sogar zu steigern.
Was bedeutet Lean Management konkret für das Bauwesen?
Durch die Anwendung von Lean-Management-Prinzipien und -Methoden können Bauunternehmen ihre Bauvorhaben schneller abschließen, Projektkosten reduzieren und die Qualität der Bauwerke verbessern.

Lean-Prinzipien: Definition
Die Lean-Prinzipien (auch: Lean-Management-Prinzipien oder agile Prinzipien) sind die Grundgedanken des Lean Management zur Steigerung der Effizienz. Sie basieren auf dem Toyota-Produktionssystem (TPS) und konzentrieren sich auf die Reduzierung von Verschwendung und die Maximierung des Kundennutzens.
Die 5 Lean-Prinzipien sind:
- Value: Werte aus Kundensicht definieren
- Value Stream: Wertstrom identifizieren
- Flow: Fluss optimieren
- Pull: auf Kundenbedürfnisse ausrichten
- Perfection (Kaizen): nach Perfektion streben

Natürlich sagen diese Kurzbezeichnungen allein nur sehr wenig aus. Deswegen beschäftigen wir uns im nächsten Kapitel ausführlicher mit den Lean-Grundsätzen. Vorher soll aber noch eine Frage beantwortet werden: Wo werden die agilen Prinzipien von Lean eigentlich eingesetzt?
Lean in allen Branchen: Lean Production, Lean Leadership & Co.
Der Lean-Ansatz kann in unterschiedlichsten Branchen und Positionen zum Einsatz kommen – im Grunde überall, wo es Prozesse gibt, die optimiert werden können. Neben den Lean-Production-Prinzipien bei Toyota, mit denen alles begann, spricht man beispielsweise auch von:
- Lean Leadership: Prinzipien zur Optimierung von Führungsstrukturen
- Lean Administration, Lean Office: administrative Prozesse verbessern
- Lean Healthcare, Lean Medicine: Ablaufoptimierung im Gesundheitswesen
- Lean & Green Management: Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit
- Lean Construction & Lean Engineering: Bau- und Ingenieurwesen
- u. v. m.
Sie wollen mehr über die Anwendung der Lean-Prinzipien am Bau erfahren? Als Spezialist der Baubranche haben wir Ihnen alle Details zu Lean Construction in einem ausführlichen Beitrag zusammengetragen.
Die 5 Lean-Prinzipien im Detail
Die Kundenwerte und den Wertstrom identifizieren, in einen Fluss bringen, nach dem Pull-Prinzip ausrichten und stetig perfektionieren – was genau ist damit nun eigentlich gemeint bzw. wie lässt sich das Konzept des Lean Management damit umsetzen?
Vorab ein Hinweis: Manchmal ist von 8 Lean-Prinzipien (statt nur 5) die Rede. Damit sind meist die 8 Verschwendungsarten der Lean-Methode gemeint.

Lean-Prinzip #1: Value – Werte aus Kundensicht definieren
Der erste Grundgedanke des Lean Thinking ist, die Werte der Zielgruppe bzw. des Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Das Projekt wird aus Kundenperspektive betrachtet, um zu verstehen, welche Wünsche und Ziele ihnen besonders wichtig sind.
Damit ist es möglich, herauszufiltern,
- an welchen Stellen gespart werden kann (und sollte)
- und wofür die Zielgruppe bereit ist, zusätzliches Budget zu investieren.
Sind diese Werte definiert, müssen die Projektstrategie und -parameter danach ausgerichtet werden. So entsteht am Ende ein Produkt, das alle Erwartungen perfekt erfüllt. Gleichzeitig können auf dem Weg dorthin alle Zusatzaufwände vermieden werden, die für das Erreichen dieser Ziele nicht relevant sind.

Kundenwerte im Bauwesen definieren
Betrachtet man ein Bauvorhaben, ist die Zielgruppe meist der Bauherr oder die späteren Nutzer eines Gebäudes. Das Bauprojekt muss also auf deren Bedürfnisse ausgelegt werden. Nachstehend einige Beispiele:
–> Für die Schaffung von leistbarem Wohnraum ist es ausschlaggebend, das Budget einzuhalten sowie zeitsparend und energieeffizient zu bauen.
–> Für ein staatliches Gebäude mit Prestige-Funktion könnte hingegen das architektonische Design ein zentraler Faktor sein.
–> Ein großes Finanzunternehmen legt für seinen neuen Standort vielleicht besonderen Wert auf Nachhaltigkeit nach den ESG-Bau-Kriterien.
Je nach Erwartungen kann der Projektablauf angepasst werden, sodass der Fokus auf dem individuellen Ziel liegt.
Lean-Prinzip #2: Value Stream – Wertstrom identifizieren
Der Wertstrom umfasst alle Schritte, die zur Herstellung der identifizierten Kundenwerte beitragen. Mithilfe der Wertstromanalyse können Unternehmen ihre Prioritäten richtig setzen und ineffiziente Abläufe aufspüren. Alle Prozesse werden dabei in drei Kategorien eingeteilt:
- Prozesse, die zur Wertschöpfung beitragen
- notwendige Prozesse ohne Mehrwert
- unnötige Prozesse ohne Mehrwert
Erstere sind jene Leistungen, denen besonders viel Aufmerksamkeit zukommen sollte, da sie direkt zur Erfüllung der Kundenwünsche beitragen. Notwendige Tätigkeiten müssen natürlich durchgeführt werden, dies jedoch so minimal und zeitsparend wie möglich. Unnötige Abläufe werden hingegen vollständig eliminiert.

Value Stream auf der Baustelle
Auf der Baustelle wird der Bauablauf auf ineffiziente Prozesse hin untersucht – beispielsweise sollen notwendige Verwaltungstätigkeiten möglichst ohne Doppelarbeit abgeschlossen werden. Wertschöpfende Leistungen werden priorisiert: Ist beispielsweise das Budget wichtig, liegt der Fokus auf dem Kostenmanagement.
Lean-Prinzip #3: Flow – Fluss optimieren
Die Lean-Prinzipien zielen darauf ab, reibungslose Abläufe sicherzustellen. Der Wertstrom soll also kontinuierlich durch alle Projektabschnitte fließen. Unterwegs darf er nirgends behindert, aufgestaut oder überlastet werden. Dazu müssen sich alle Projektbeteiligten perfekt abstimmen.
Vermieden werden sollten Verschwendungen wie:
- Fehler und Mängel
- Überproduktion
- Zu hohe Lagerbestände
- Wartezeiten
- Unnötige Transportwege
- Ineffiziente Bewegungsabläufe
- Zu komplexe Prozesse
- Ungenutztes Talent

Flow im Bauablauf sicherstellen
Auf der Baustelle muss alles, was den Ablauf hemmt, beseitigt oder verhindert werden. Dazu zählen zum Beispiel Terminkollisionen und Leerlaufzeiten, Baumängel, die beseitigt werden müssen, unnötige Doppelarbeit in der Projektsteuerung, überflüssige Fahrten von und zur Baustelle oder Fachkräfte, die vollkommen überlastet sind.
Lean-Prinzip # 4: Pull – auf Kundenbedürfnisse ausrichten
Das Pull-Prinzip beruht auf einer einfachen Grundidee: Es wird nur das produziert, was der Kunde benötigt – und zwar erst dann, wenn es gebraucht wird. So kommt es zu keiner Überproduktion. Letzteres ist vor allem in der Fertigung relevant, doch eine Ausrichtung auf die Nachfrage ist für alle Branchen eine Grundvoraussetzung.
Der Projektablauf wird durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bestimmt, ohne diesem die eigenen Vorgaben und Ziele aufzudrängen (wie es beim Push-Prinzip üblich wäre). Das Projekt wird dafür häufig von hinten aufgerollt: Eine nachgehende Leistung “fordert” die vorhergehende an.

Pull-Prinzip für Bauprojekte
Das Pull-Prinzip kann im Bauwesen schon damit beginnen, dass Projekte umgesetzt werden, für die tatsächlich Nachfrage besteht. Aber auch innerhalb eines Bauvorhabens ist es anwendbar: etwa, indem das nächste Gewerk (oder der Bauherr) entscheidet, welche Leistungen des Vorgängers wann nötig sind.
Eine Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Pull-Prinzips ist eine regelmäßige Abstimmung zwischen dem Projektleiter, den Projektbeteiligten und dem Bauherrn.
Lean-Prinzip # 5: Perfection (Kaizen) – das Streben nach Perfektion
Das japanische Wort “Kaizen” bedeutet so viel wie kontinuierliche Verbesserung. Und genau das ist mit diesem letzten Lean-Prinzip gemeint. Die ersten 4 Lean-Prinzipien – Werte definieren, den Wertstrom analysieren, einen reibungslosen Fluss sicherstellen und sich stets an der Nachfrage orientieren – müssen immer wieder durchdacht und neu bewertet werden.
Daraus ergibt sich ein Kreislauf an Verbesserungen, der im Grunde niemals endet. Schließlich gibt es immer wieder neue Technologien, Methoden und Ideen, die bewährte Prozesse weiter optimieren können.

Kaizen auf der Baustelle
Ein einfaches Beispiel für das Streben nach Perfektion ist die Digitalisierung der Baubranche. Die Integration von digitalen Tools bietet enormes Potenzial für Zeit- und Kosteneinsparungen. Wer also nach Perfektion im Bauablauf strebt, sollte sich mit Konzepten wie BIM und der digitalen Baustelle auseinandersetzen. Und der technologische Fortschritt wird in Zukunft noch viele weitere Möglichkeiten mit sich bringen.
Vorteile der Lean-Management-Prinzipien für den Bau
Die 5 Prinzipien des Lean Managements bieten dem Baugewerbe eine Reihe von Vorteilen, die zu einer effizienteren und effektiveren Projektumsetzung führen. Einige davon haben wir bereits kurz angesprochen, hier finden Sie jedoch noch einmal alle Vorteile auf einen Blick:
- Zeiteinsparungen: Durch die Anwendung von Lean-Prinzipien können Projekte schneller abgeschlossen werden, da sie unnötige Prozesse eliminieren und Wartezeiten reduzieren.
- Kosteneinsparungen: Lean Management führt zu einer Senkung der Baukosten, beispielsweise durch weniger Materialkosten, weniger Stillstand, weniger Arbeitsstunden etc.
- Qualitätsverbesserung: Die Qualität bleibt meist nicht nur gleich, sondern erhöht sich sogar. Denn durch die Anwendung der Lean-Grundsätze entstehen im Bestfall keine Mängel.
- Erhöhung der Kundenzufriedenheit: Durch die Ausrichtung des Projekts auf die Wünsche des Auftraggebers und volle Transparenz im Bauablauf gibt es am Tag der Bauabnahme keine Unstimmigkeiten.
- Nachhaltiges Bauen: Die Vermeidung von Verschwendung senkt auch den Ressourcenverbrauch auf der Baustelle.
- Bessere Zusammenarbeit: Die Lean-Management-Methode fördert die Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten.
- Kontinuierliche Verbesserung: Das Streben nach Perfektion hat den Nebeneffekt, dass ein Bauunternehmen mit jedem Projekt dazulernt und besser wird. So bleiben Sie der Konkurrenz stets einen Schritt voraus.

Herausforderungen bei der Umsetzung der Lean-Grundsätze
Dass Lean Management viele Vorteile mit sich bringt, ist bereits ausreichend geklärt. Doch die Umsetzung verläuft nicht immer reibungslos. Denn Lean ist eine Philosophie, die von allen Teammitgliedern mitgedacht und unterstützt werden muss. Bevor die Lean-Prinzipien also erfolgreich einsetzbar sind, müssen interne Widerstände abgebaut werden.
Dazu muss Ihnen Folgendes klar sein:
- Veränderungen brauchen Zeit: Lean Thinking erfordert grundlegende Umstrukturierungen, die nicht von heute auf morgen passieren.
- Verständnis als Grundvoraussetzung: Nur, wer versteht, warum Lean-Methoden sinnvoll sind, wird sie auch freiwillig anwenden.
- Lean Management gelingt nur im Team: Alle müssen die Lean-Grundsätze im Kopf verankern und sich aktiv an den Verbesserungen beteiligen.
- Allen voran die Projektleitung: Wer selbst nicht 100 % hinter dem Lean-Gedanken steht, kann seine Teammitglieder sicher nicht dafür begeistern.
- Die Umsetzung ist individuell: Jede Branche und jedes Unternehmen muss einen eigenen Weg finden, um Abläufe zu optimieren.

Agiles Bauprojektmanagement nach den Lean-Prinzipien
Am Bau liefern die Lean-Management-Prinzipien besonders viel Einsparungspotenzial bei Verwaltungsaufgaben: die Baustelle überwachen, mit den Beteiligten kommunizieren, den Zeitplan im Auge behalten, Mängel erkennen und beseitigen lassen, alles sauber dokumentieren – zahlreiche Prozesse können hier Zeitfresser sein.
Deshalb orientiert sich unsere Bauprojektmanagement-Software ebenfalls am Lean-Gedanken. So sorgt BauMaster für verschwendungsfreie Abläufe:
- zeit- und ortsunabhängig arbeiten
- über eine Plattform kommunizieren
- alle Informationen an einem Ort sammeln und abrufen
- blitzschnell Aufgaben anlegen, verteilen und überwachen
- Bauzeitenplan erstellen und jederzeit anpassen
- Kostenabweichungen auf einen Blick erkennen
- direkt auf der Baustelle dokumentieren
- u. v. m.

Mit den Lean-Prinzipien für die Zukunft gerüstet
Die Lean-Prinzipien sind nicht nur etwas für große Produktionsbetriebe wie Toyota. Unternehmen jeder Größe können ihre Vorteile daraus ziehen und individuelle Optimierungen umsetzen. Entscheidend ist jedenfalls für alle: niemals stehenbleiben. Niemand kann voraussagen, welche spannenden Technologien und Veränderungen die Zukunft bringen wird, doch mit dem Lean-Ansatz sind Sie bestens dafür gerüstet.
FAQ: Lean-Management-Prinzipien
Welche Lean-Prinzipien gibt es?
Folgende 5 Lean-Prinzipien gibt es:
- Value: Werte aus Kundensicht definieren
- Value Stream: den Wertstrom identifizieren
- Flow: den Fluss des Wertstroms optimieren
- Pull: auf die Bedürfnisse des Kunden ausrichten
- Perfection (Kaizen): kontinuierlich verbessern
Was zeichnet das Lean-Management-Prinzip aus?
Lean Management ist ein Ansatz, der sämtliche Verschwendung vermeiden will. Dazu werden alle Prozessabläufe so weit optimiert und verkürzt, dass die gewünschte Qualität mit dem geringsten Zeit- und Kostenaufwand erreicht werden kann.
Was versteht man unter dem Kaizen-Prinzip?
Kaizen ist ein japanischer Begriff und meint kontinuierliche Verbesserung bzw. das stetige Streben nach Perfektion. Alle Prozesse und Abläufe innerhalb eines Unternehmens oder innerhalb eines Projekts sollen immer wieder hinterfragt, neu gedacht und optimiert werden.
Wer hat die Lean-Prinzipien erfunden?
Das Lean Management und die Lean-Prinzipien wurden ursprünglich
vom japanischen Autohersteller Toyota
begründet. Der Produktionsleiter Taiichi Ōno entwickelte das Toyota Production System (TPS), um Verschwendung in allen Bereichen zu eliminieren – in der Produktion, bei Dienstleistungen und in der Verwaltung.